[Rezension] Die Königin der Schatten – Erika Johansen

Inhalt

An ihrem 19. Geburtstag soll Kelsea Glynn ihr Erbe antreten – als Königin von Tearling. Bisher hatte sie ein behütetes Leben fernab geführt, wurde aufgezogen von Pflegeeltern. Jetzt wird sie in eine Welt voller Korruption gerissen, ungewiss, ob sie den nächsten Tag noch erleben wird. Doch Kelsea lässt sich davon nicht beirren – und setzt alles daran, ihr Volk für sich zu gewinnen.

Meine Meinung

Was für ein interessantes Buch! Ich habe schon lange nicht mehr von so einem vagen, gleichzeitig unglaublich interessanten Weltenentwurf gelesen. Beim Betreten von Kelseas Welt, die sehr mittelalterlich angehaucht ist, befinden wir uns nicht in der Vergangenheit, sondern mehr in einer Art Zukunftsvision (zumindest, wenn man die Anzeichen im Buch richtig deutet): Bücher sind etwas Wertvolles, denn eine Druckerpresse gibt es nicht mehr. Es werden Pakte geschlossen, um Königreiche davon abzuhalten, sich gegenseitig abzuschlachten. Ich war regelrecht fasziniert von Tearling und seiner Umgebung und hoffe inständig, dass wir noch mehr Informationen darüber bekommen.
Nun zu Kelsea, eine sehr ungewöhnliche Protagonistin. Kelsea ist nicht das hübsche, schlanke und erfolgreiche Mädchen, dem wir regelmäßig bei anderen Romanen begegnen, sie wird sogleich in den ersten Seiten als überaus durchschnittlich und unaufällig beschrieben. Es gibt sogar eine Stelle, in der ihr subtil vermittelt wird, dass sie etwas… sportlicher werden sollte. Auch vom Charakter her zeigt Kelsea ihre Eigenheiten – ist sie anfangs noch etwas widerwillig, ihr Amt anzutreten, und unsicher, ob sie es schaffen wird, zeigt sie schon ziemlich bald einen unglaublich starken Willen und ein kräftiges Rückgrat. Kelsea macht eine unglaubliche Wandlung durch, auch wenn sie nicht gleich erwachsen wird und sicher nicht fehlerfrei handelt; Johansen hat hier eine Protagonistin geschaffen, die man nicht unbedingt mögen muss, aber definitiv schätzen lernt.
Auch die anderen Personen, wenn auch die meist nur grob skizziert sind, haben ihren Reiz. Besonders interessant sind hier Kelseas Onkel, der alles andere als interessiert daran ist, dass seine Nichte auf dem Thron sitzt, und die Rote Königin zu nennen. Beides sind Charaktere, die nicht unbedingt liebenswert, aber durch ihre Verdorbenheit unglaublich spannend sind. Die Rote Königin, die zumindest anfangs als Antagonistin herausgestellt wird, ist gar nicht so böse, wie man zuerst annimmt – in den paar Szenen, die aus ihrer Perspektive geschrieben sind, wirkt sie eher wie eine Frau, die kurz vor dem persönlichen Untergang steht. Ich habe selten so einen gut gestalteten Gegenspieler in einem Buch gefunden, und ich bin beeindruckt!
Man muss allerdings einwenden, dass Die Königin der Schatten ein langsames, gemächliches Buch ist. Es ist nicht langweilig – aber wer kontinuierlich Spannung und Action sucht, ist hier vermutlich am falschen Platz. Trotzdem fesselt die Storyline so sehr, dass man wissen möchte, wie es weitergeht, welcher Konflikt sich herausbildet. (Ein paar Seiten weniger hätten vielleicht trotzdem nicht geschadet.)
Was mich auch noch etwas gestört hat, war der Stil der Autorin. Er ist simpel und flüssig zu lesen, doch gleichzeitig etwas umgangssprachlich und distanziert. Ich meine damit, dass ich oft Dialoge als viel zu steif/unangemessen empfand, besonders, wenn Kelsea und ihre Gardisten miteinander sprachen. Es wirkte, als wäre Johansen kläglich daran gescheitert, eine mittelalterliche Sprechweise nachzuahmen – natürlich kann ich hier auch falsch liegen und das war niemals die Absicht der Autorin. Trotzdem hätte ich mir eine andere Umgangsweise gewünscht.
Außerdem fühlte es sich oft so an, als würde man das Geschehen nur distanziert betrachten, und ich hatte meine Schwierigkeiten, mit den Charakteren mitzufühlen – die ja ohnehin noch ein wenig Ausbaupotential besitzen. 😉 Was das anbetrifft, bin ich definitiv auf die Folgebände gespannt – denn Die Königin der Schatten hat auf jeden Fall einen guten Gesamteindruck hinterlassen.

Fazit

Mit Die Königin der Schatten hat Erika Johansen einen nicht makellosen, aber dennoch guten ersten Band geschaffen. Besonders die Welt, in der Kelsea lebt, und die Zwielichtigkeit einiger Charaktere faszinieren. Auf jeden Fall ein Buch, bei dem ich zum Folgeband greifen werde!
Vielen Dank an Heyne für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Titel: Die Königin der Schatten
Taschenbuch: 544 Seiten
Verlag: Heyne
Reihe: 1/3
Preis: 14,99€
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Ein Kommentar

  1. Genau so würde ich das Buch auch einordnen 🙂 Im Großen und Ganzen gefiel es mir gut, weil ich die Story recht innovativ und den Weltenentwurf klasse fand. Bin schon auf den zweiten Band gespannt, mal sehen, wie sich Kelsea da noch weiterentwickelt!
    Bei mir herrscht im Moment leider eine kleine Leseflaute – nicht, weil mir die Motivation fehlt (die ist immer da :D), sondern weil ich das Gefühl habe, alles schon gelesen zu haben. Und die Bücher, die ich noch nicht gelesen hab, gefallen mir vom Klappentext / Thema nicht. Grauenvolles Dilemma 😀

    Ich wünsch dir noch eine tolle Weihnachtszeit, Bella!

    Liebe Grüße 🙂

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