Der heutige Beitrag ist eine Doppelrezension – da ich die beiden ersten Bände der Winternight-Trilogie Rücken an Rücken gelesen habe, konnte ich nicht widerstehen, sie in einem Schwung zu rezensieren. Aber keine Sorge: Beide Rezensionen sind spoilerfrei, auch wenn du den ersten Band noch nicht kennst. Du kannst quasi direkt weiterlesen und herausfinden, ob dir zum Beispiel gewisse Aspekte in Band 2 weniger gefallen würden. Ohne Umschweife geht‘s jetzt aber los:
The Bear and the Nightingale – Katherine Arden
Inhalt
Russland im 14. Jahrhundert: In den zahlreichen kalten Wintermonaten, die dieser Teil des Landes mit sich bringt, hat Vasya ausreichend Zeit, um all die Märchen zu hören, die ihr Kindermädchen zu bieten hat. Doch als sie älter wird, stellt sie fest, dass vielleicht doch etwas Wahrheit an den Geschichten dran ist … nicht, dass sie das laut äußern könnte – sie würde als Hexe verurteilt werden. Dann heiratet Vasyas Vater ein zweites Mal und seine neue, streng gläubige Frau ist fest entschlossen, die Haushaltsgeister ein für alle Mal zu bannen. Doch mit deren Verschwinden breitet sich das Böse in dem kleinen Dorf aus …
Meine Meinung
The Bear and the Nightingale ist nicht wirklich ein Buch, das man verschlingen kann. Zum einen spielt das Buch über mehrere Jahre hinweg, andererseits bewegt sich der Plot wirklich gemächlich, was nicht zuletzt daran liegt, dass verschiedene Mitglieder von Vasyas Familie begleitet werden. Grundsätzlich stört mich das nicht, aber gerade zum Anfang des Buches waren mir die Perspektiven doch etwas zu breit gefächert und ich hatte den Eindruck, dass hin und wieder der rote Faden etwas verloren ging. Besonders Vasya wird in der ersten Hälfte regelrecht aus den Augen verloren; ich wollte so gerne mehr über sie wissen, doch stattdessen musste ich mich mit den Fremdcharakterisierungen begnügen, die ihr von den anderen Charakteren auferlegt wurden.
Das klingt so negativ – so ist es aber nicht gemeint. Ich habe es dennoch unglaublich genossen, mehr über Vasyas Familie zu lesen, denn für Familiengeschichten bin ich ohnehin immer zu haben. Ich zweifle nur rückblickend an, ob diese in ihrer Länge wirklich nötig waren.
„They are all like that, the princes that live,“ said Pyotr. […] „They all have too many brothers, and all are eager for the next city, the richer prize. Either they are good judges of men, or they are dead. Go wary of the living ones, synok, because they are dangerous.“
The Bear and the Nightingale – Katherine Arden
Dadurch, dass die Geschichte sich nur langsam entwickelt, kann das Buch ganz klar mit einem trumpfen: Atmosphäre. Arden schafft es, das kleine Dorf lebendig werden zu lassen, die Kälte des ewigen Winters scheint die Seiten zu durchtränken und zwischendrin breitet sich die Magie aus, der Zauber der Geschichten, die eigentlich „nur“ Märchen sein sollten. Dadurch, dass selten etwas konkretisiert wird, die Autorin viel mit Möglichkeiten arbeitet und mehrere Interpretationen anbietet, machte sich auch in mir ein verträumtes, unwirkliches Gefühl breit – als wäre ich selbst in einem Märchen gelandet.
Für die Authentizität der Repräsentation kann ich nicht sprechen; die Autorin selbst hat russische Literatur studiert und spricht die Sprache fließend. Sowohl in The Bear and the Nightingale als auch The Girl in the Tower finden sich Glossare, die diverse Begriffe erläutern, und sie spricht darüber hinaus etwaige Freiheiten an, die sie sich in den Texten erlaubt hat.
Im letzten Viertel des Buches gewinnt das Geschehen noch einmal richtig an Geschwindigkeit – ich freue mich doch immer wieder, einem „klassischen“ Showdown zu begegnen – und wird gleichzeitig um einiges düsterer. Kein Wunder – Vasya ist mittlerweile 17 Jahre alt. Ich für meinen Teil war froh, den zweiten Teil direkt zur Hand zu haben, als ich mit dem Buch fertig war.
The Bear and the Nightingale ⚬ Taschenbuch: 464 Seiten ⚬ Band 1/3 ⚬ Del Rey ⚬ ca. 7,99€*
The Girl in the Tower – Katherine Arden
Meine Meinung
The Girl in the Tower ist mancherlei Hinsicht wie sein Vorgänger – und gleichzeitig ganz anders. Während mich hier der Anfang direkt mehr packte als der des ersten Bandes, hatte ich danach einen ziemlichen Durchhänger. Da das hier spoilerfrei ist, sei nur so viel gesagt: Nach den ersten paar Kapiteln wird die Perspektive gewechselt und es wird ein Zeitsprung nach hinten gemacht. Das heißt, wir gehen einige Wochen zurück und bewegen uns ein weiteres Mal auf die Gegenwart zu. Das hat mich ganz schön frustriert – insbesondere, weil ich fand, dass der Zeitsprung an sich angemessen war, aber schlichtweg zu lange andauerte. Dass ich ein paar Probleme mit dem Tempo von Ardens Büchern habe, scheint wohl zur Gewohnheit zu werden. ?
Gleichzeitig machte sich in mir der Eindruck breit, dass das Buch weniger magisch als sein Vorgänger ist, dass dieses ganz Besondere fehlt – was einerseits stimmt, andererseits auch nicht. Die Geschichte wird in diesem Buch von dem kleinen Dorf nach Moskau verlagert, wo all die Hausgeister ebenfalls zu verschwinden drohen, und während der Fokus auf der Familie bleibt, kommen neue Aspekte hinzu: die von Politik und von Geschlechterrollen. Insbesondere Vasya, die bereits im ersten Buch schon damit Probleme hatte, stellt immer wieder aufs Neue fest, dass sie sich unmöglich den Erwartungen, die man in dieser Zeit an Frauen hatte, beugen kann. Nicht nur in diesem Kontext wächst sie enorm als Charakter, und es ist eine Freude, zu beobachten, wie sie erwachsen wird und immer weiter austestet, inwiefern sie ihr Schicksal in die Hände nehmen kann.
„I am as I was made: unchanging. Long ago, men dreamed a sword into my hand. Gods diminish, but they do not change.“
The Girl in the Tower – Katherine Arden
Obwohl ich letztlich beiden Büchern dieselbe Bewertung gegeben habe, hat mich The Girl in the Tower emotional etwas mehr packen können. Vielleicht liegt es daran, dass die Sicht hauptsächlich auf drei Charaktere beschränkt wird, oder daran, dass Vasya jetzt ein gewisses Alter erreicht hat – aber immer wieder schaffte es die Geschichte, mich ungemein zu berühren, sodass ich mir nur noch wünschte, dass es für alle irgendwie ein gutes Ende gibt.
Katherine Arden sagt, dass sie kein Fan von Cliffhangern ist, und ja, streng genommen ist das Ende von The Girl in the Tower kein Cliffhanger. Aber ich bin mittlerweile so sehr in das Leben dieser wundervoll authentischen Charaktere, in diese zauberhafte und gleichzeitig brutale Welt investiert, dass ich den dritten Band, The Winter of the Witch, bereits sehnsüchtig erwarte.
Vielen Dank an Netgalley für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
The Girl in the Tower ⚬ Hardcover: 384 Seiten ⚬ Band 2/3 ⚬ Del Rey ⚬ ca. 15,49€*
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2 Kommentare
Ahh mega gut zu lesen, dass dir "The Girl In The Tower" so zugesagt hat. Ich hab den ersten Teil vor ein paar Monaten gelesen und fand ihn unglaublich gut (auch wenn ich deine Kritik bezueglich des Tempos gut nachvollziehen kann). Habe auch richtig Lust jetzt weiterzulesen, weil ich das Setting so mochte. Ich glaube, ich lege mir dann ganz bald mal das schoene Hardcover zu… 🙂
Ja, das Setting ist wirklich zauberhaft. <3 Und die Hardcover sind unglaublich schön!