[Rezension] All the Bright Places – Jennifer Niven

Content Warnung

Depressionen, Suizid

Diese Rezension habe ich vor einigen Jahren veröffentlicht. Sie gibt eine Meinung wieder, die ich mit meinem heutigen Wissensstand nicht mehr so entwickeln würde.

Inhalt

Finch und Violet treffen sich erstmalig auf dem Glockenturm ihrer Schule, beide an das Geländer geklammert, beide überlegen, ob sie nicht springen sollen. Finch rettet Violet, die daraufhin nicht mehr aus seinen Gedanken verschwindet. Aufgrund eines gemeinsamen Geographie-Projekts lernen sich die beiden besser kennen… aber ist es genug, um wieder die schönen Seiten des Lebens zu sehen?

Meine Meinung

All the Bright Places ist eines dieser Bücher, das ich seit einer gefühlten Ewigkeit aus dem Augenwinkel beobachtet hatte, bei dem ich mich aber nie durchringen konnte, es endlich zu bestellen. Mit der Zeit wuchsen meine Erwartungen – und auch meine Neugier, zugegeben.
Das Buch erwies sich als ambivalent: es entsprach meinen Erwartungen und doch irgendwie nicht. Auf jeden Fall ist es zu einem Buch geworden, das mir nachhaltig in Erinnerung bleiben wird – zusammen mit seinen zahlreichen Widersprüchen.
Finch und Violet, so ähnlich sie auch wirken mögen, als sie auf dem Turm stehen, sind im Grunde genommen komplett verschiedene Charaktere. Finch hatte eine harte Vergangenheit: seine Eltern sind geschieden, sein Vater gewalttätig, seine Mutter komplett passiv. Manchmal geht er wochenlang nicht zur Schule, wenn er Asleep ist, und seine Schwester gibt sich als Mutter aus, entschuldigt ihn. Er erforscht verschiedene Arten zu sterben, notiert sie und ihre Nachteile. Finch ist hochintelligent und gleichzeitig nah am Abgrund. Von seinen Mitschülern wird er Freak genannt.
Violet hatte eine wohlbehütete Kindheit mit zwei liebenden Eltern. Zusammen mit ihrer Schwester führte sie einen Blog. Dann aber starb ihre Schwester bei einem Unfall, den Violet überlebte, und seitdem ist alles anders. Sie traut sich nicht mehr, im Auto mitzufahren, kappt alte Beziehungen, zieht sich mehr zurück.
Das, was dann entsteht, erscheint zuerst wie eine dieser typischen Geschichten, die uns aus Büchern wie Das Schicksal ist ein mieser Verräter, The Perks of Being a Wallflower und Co. bekannt sind: viele Zitate. Viele, oftmals zusammenhanglose, Dialoge und Aktionen, die niemand von uns jemals machen würde. 
Ich weiß nicht, ob es an einer simplen Übersättigung lag – aber bei All the Bright Places war ich erstmals genervt. Finch und Violet schickten sich Unmengen an Zitaten hin und her, irgendwelche Wörter, die an Bedeutsamkeit gewinnen sollten. Das Problem war, dass es für mich nichts bedeutete.
Noch mehr Probleme hatte ich allerdings mit Finchs Perspektive: so heroisch und berührend seine Handlungen auch gewesen sein mochten, die Art und Weise, in der von ihm erzählt wurde, machte alles zunichte. Ich hätte genauso gut einen Bericht über irgendwelche Aktien lesen können.
Mit Violet kam ich besser klar – auch wenn ich sie nicht unbedingt lieber mochte. Gerade zu Beginn des Werkes war sie noch stark von Vorteilen geprägt, erpicht darauf, nicht mit Finch gesehen zu werden.
Aber Jennifer Niven bewies, dass sie auch anders kann. Nach über der Hälfte des Buches schien sich das Blatt zu wenden – ob ich schlichtweg so lange gebraucht hatte, um warm zu werden, oder ob Niven so lange brauchte, um warm zu werden, weiß ich nicht. Vielleicht lag es auch daran, dass die Beziehung zwischen Violet und Finch endlich wärmer wurde. Und damit meine ich nicht die Liebesbeziehung. Ich meine, dass Violet lernte, Finch zu verstehen, und dass ich lernte, Finch zu verstehen, und das verlieh der Geschichte – vor allem im Nachhinein – eine Menge Tiefe.
Leider wurde ich bezüglich des Endes gespoilert – ich hatte nur „Glück“, dass ich ausnahmsweise erraten hatte, wie es ausgehen würde. Geweint habe ich dennoch, auch wenn ich mit All the Bright Places keine reibungslose Beziehung hatte. Wenn man einmal verstanden hat, was Jennifer Niven erzählen will, dann wird das Buch wirklich um einiges bedeutsamer.
Da sowohl Finch und Violet mit Depressionen kämpfen, hat das Buch viel mit mentaler Gesundheit zu tun – allerdings nicht so, wie man es in unserem aufgeklärten Zeitalter vermuten würde. Erst im Verlaufe des Buches realisiert man, mit welcher Ignoranz die Gesundheitszustände der beiden Protagonisten behandelt werden, und diese Erkenntnis ist sehr bedeutsam. Bei Niven hat man vor allem nicht das Gefühl, dass irgendetwas beschönigt oder verfälscht wird, sie geht sehr realistisch mit dem Ganzen um. Und genau aus all diesen Gründen werde ich All the Bright Places sicher nie vergessen.

Spoiler-Gedanken

Da ich zu dem Buch einige Gedanken habe, die um einiges tiefer gehen, dachte ich mir, ausnahmsweise eine neue Kategorie aufzumachen. Vielleicht sind ja ein paar unter euch, die das Buch schon gelesen haben, oder jemand, dem Spoiler nichts ausmachen.
Was mich letztendlich dazu bewegt hat, das Buch nicht einfach als „Fail“ abzustempeln, war Finch – Finch, mit dem ich anfangs so gar nicht klar kam. Ausschlaggebend war sein Suizid. Erst in diesem Moment – bzw. als er klar wurde, was passieren würde / musste – bemerkte ich als Leserin die versteckten Hinweise. Finchs ganzes Handeln war ein Hilfeschrei – nur hörte niemand zu. Seine Mutter war absolut passiv (vielleicht ein wenig überspitzt dargestellt, aber die Ignoranz ist leider oft genug vorhanden), seine ältere Schwester nahm sein Verhalten hin, und in der Schule wurde er nur weiter gequält. Selbst als er die Überdosis Tabletten nahm, reagierte niemand. Violet ist die Erste, die die Zeichen wahr/ernst nimmt und zu ihren Eltern geht. Dann: der fatale Fehler. Der Punkt, in dem das Buch mir wirklich das Herz brach. Finchs Eltern wurden kontaktiert, aber da sich nie jemand Mühe machte, ihm zuzuhören… wurde damit sein Ende besiegelt.
Das Ding ist, Depressionen kann man unter Kontrolle kriegen. Aber man muss zuhören. Ich glaube, das ist eines der Dinge, die Jennifer Niven ausdrücken wollte, und zwar auf ihre subtile Art und Weise, und das ist ihr grandios gelungen. (Vermutlich auch, weil sie leider selber Erfahrungen mit dem Thema machen musste.)

Fazit

Mit All the Bright Places hatte ich anfangs so meine Probleme. Als ich jedoch endlich begriff, was Jennifer Niven erzählen wollte, veränderte sich mein Blick auf die Geschichte – definitiv eines der Bücher, das ich nicht so schnell vergessen werde.
Titel: All the Bright Places
Taschenbuch: 400 Seiten
Verlag: Penguin Books
Reihe: –
Preis: ca. 9,60€
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All the Broken Places ist auch auf Deutsch im Limes Verlag unter dem Titel All die verdammt perfekten Tage erschienen.

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2 Kommentare

  1. Ich habe deine Rezension nur überflogen, da ich etwas spoiler-sensibel bin, das Buch liegt nämlich noch auf meinem SuB. Eigentlich freue ich mich darauf, mal sehen wie ich mit den Charakteren klar komme 😉

    Finde es irgendwie schön, dass du immer noch so regelmäßig Rezensionen schreibst, bei mir kam das, mit dem Lesen, in letzter Zeit viel zu kurz. Aber da ich jetzt endlich das Buch mit dem nervigem Hauptcharakter beendet habe, dass mich in den letzten Monaten so gequält hat, komme ich jetzt vielleicht wieder öfter dazu, und werde hoffentlich auch wieder mehr Buchblogs lesen!

  2. hey, ich bin Annali. Ich hab mir gerade deine Rezension durchgelesen, da ich das Gefühl habe dass niemand dieses Buch so richtig versteht. Ich weiß nicht ob meine Interpretation „richtig“ ist aber ich habe das Bedürfnis sie dir mitzuteilen. Finch leidet nicht unter Depressionen. Er hat eine biopolare Störung. Äußerst unangenehme Erkrankung, über die aber viel zu wenig berichtet wird. Ich gehe davon aus, dass Violet unter einer posttraumatischen belastungsstörung leidet. Dieses ganze Buch ist keine Romanze. Es handelt lediglich um 2 krankheiten, die sowohl bei anderen Jugendlichen als auch bei Erwachsenen wenig verständnis finden. Der Name lässt sich einfach durch die geographischen Handlungen erklären, doch auch das kann man meiner Meinung nach anders interpretieren. Ich habe das Gefühl, dass diese bright places nicht die Orte wiederspiegeln die Theodore und Violet besuchen. Wenn man zwischen den Zeilen liest, bekommt man das Gefühl, dass diese bright places die Momente sind in denen Theodore und violet trotz der phsychischen Schwierigkeiten ein Licht sehen. Diese unbeschwerten Momente sind zwar kurz, aber genau diese Momente sind die, welche Violet dazu bewegen weiter zu kämpfen. Theodore erkennt nicht „all the bright places“, bzw. er erkennt sie, aber es sind ihm nicht genug. Es sind nicht genug bright places die ihn dazu bewegen können zu bleiben. Dies „harmoniert“ mit der biopolaren Störung. Das die meisten Menschen nur die Romanze mit dem unglücklichen Ende in diesem Buch sehen, zeigt die ungaubliche tiefe die dieses Buch mit sich bringt. Nach außen hin sieht man eine unglücklich geendete Romanze, man muss tiefer gehen um das eigentliche zu erkennen. Ich weiß nicht ob du das hier jemals lesen wirst, wenn doch würde ich mich sehr über deine Meinung zu meiner Interpretation hören. Viele Grüße, Annali

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