Über Bücher und Selbstliebe – Teil 1

wir schneiden schlecht ab
Was für Effekte die sozialen Medien auf uns haben, wird uns Tag um Tag um Tag wieder erzählt. Wir sitzen in Vorlesungen und hören nur mit einem Ohr zu, in der anderen Hand das Handy, schieben das Essen auf dem Teller so lange hin und her, bis es an der richtigen Stelle ist, und überlegen, welches Foto wir als Nächstes posten, ohne unseren Feed zu zerstören. Den obligatorischen Hashtag nicht vergessen, mehr Likes, mehr Bestätigung, mehr Anerkennung.

Oft fällt in diesen Nachrichten auch der Begriff des Vergleichens. Wir eifern den meistgefolgten Instagrammern nach und beobachten die Youtube-Stars, die ihre Hauls jetzt direkt auf Snapchat machen. Und wir schneiden immer schlecht ab.
Meistens bezieht man sich da auf materielle Dinge. Oder argumentiert, es sei alles mehr Schein als Sein und die anderen seien nicht halb so glücklich, wie sie sich geben.
Aber wie ist das bei diesen #studyposts? Bei den Leuten, deren Snaps immer nur aus Bibliotheksbildern bestehen? Die ihre Instagram-Posts mit #studybreak taggen und – falls man sie mal antrifft! – erzählen, dass sie nur noch Uni-Kram machen und vor Stress nicht einmal mehr zum Essen kommen.
Ihr schließt die Instagram-App. Drückt den Snap der Person weg, frustriert. Und nach dem Gespräch zwingt ihr euch selbst, den Stoff noch einmal durchzugehen, obwohl ihr eigentlich fix und fertig seid und die Spannungskopfschmerzen schon seit einer Woche mit euch herumschleppt.
Das ist kein Post über soziale Medien. Das ist ein Post, in dem ich euch darauf aufmerksam machen will, was es für ein Gift sein kann, seine Erfolge (in meinem Fall besonders Lernerfolge) zu vergleichen. Und was das mit Selbstliebe und, ja, Büchern zu tun hat.

keine Zeit zum Lesen?

Zuallererst möchte ich noch einen anderen Satz in den Raum werfen, ein bisschen weiter ausholen – ein Satz, den ihr wahrscheinlich alle schon gehört oder sogar selbst geäußert habt.

Ich habe im Moment gar keine Zeit zum Lesen.

Statt dem „Lesen“ dürft ihr natürlich euer liebstes Hobby nach Wahl einfügen. Und gerne noch einen Grund dahinter schieben, idealerweise etwas wie „weil ich so viel für [xy] machen muss“.
Ich habe solche Sätze vor langer Zeit abgelegt. Warum? Weil ich Zeit zum Lesen habe. Ich habe auch Zeit zum Lernen, zum Schreiben, Zeit, mich um den Blog zu kümmern oder mich mit Freunden bei einem Kaffee zu treffen. Nur nutze ich diese Zeit nicht immer für all diese Dinge – weil manchmal eben eine Klausur ansteht, oder ich noch eine Lektüre lesen muss. Ich setze also meine Prioritäten, wähle aus, welche Zeit ich für was nehme.
Denn ich behaupte: Ihr habt alle Zeit zum Lesen. (Oder für das liebste Hobby eurer Wahl.) Ja, auch wenn ihr für die Klausur lernen müsst, auf die ihr euch schon seit Wochen vorbereitet. Oder noch ein paar Aufgaben bearbeiten solltet.
Ich will auch nicht implizieren, dass ihr das Lernen/Arbeiten lassen solltet.
Aber denkt doch mal daran zurück, weshalb ihr überhaupt erst angefangen habt, ein Buch nach dem anderen zu verschlingen.*
Weil ihr gerne in fremde Welten eintaucht. Weil ihr am liebsten selbst mit dem Kommissar an dem kniffligen Fall arbeiten würdet. Weil es für euch nichts Besseres gibt als eine toughe Protagonistin. Weil ihr einfach diesen einen Autor besonders mögt, da er so gut schreiben kann.
Was haben all diese Dinge miteinander? Sie tun euch gut. Das Lesen tut euch gut.
Und deshalb solltet ihr niemals, niemals sagen, ihr hättet keine Zeit dafür.
Schieben wir diesen Aspekt beiseite, ich komme später noch einmal darauf zurück. Stattdessen möchte ich gerne erklären, was genau das jetzt mit dem Vergleichen zu tun hat.
Zuallererst etwas ganz Banales. Eure Freundin hat euch zum fünften Mal erzählt, wie viel sie lernt**, und deshalb fühlt ihr euch jetzt gezwungen, wenigstens ansatzweise ähnlich viel zu lernen. Ihr verändert eure Prioritäten (ganz unabhängig davon, ob ihr das Extralernen wirklich braucht!) und habt somit weniger Zeit zum Lesen. Oder der Katastrophenfall: Ihr fühlt euch einfach nur schlecht, könnt euch weder auf das Lernen noch aufs Lesen konzentrieren.

mehr Druck, mehr Druck, mehr Druck

Egal, wie es ist – ihr schadet euch selbst damit. Und es ist an der Zeit, das zu realisieren.
Natürlich leben wir in einer Gesellschaft, in der es vordergründig darum geht, Leistungen zu erbringen. Geht ihr zur Schule, ist das „hohe Ziel“ das Abitur, und seid ihr an der Uni, reden im ersten Semester alle schon vom Master. Während ihr noch darum kämpft, überhaupt zu bestehen, denkt manch anderer schon an den nächsten Notenschnitt. Mehr arbeiten, besser sein, mehr Druck, mehr Druck, mehr Druck.
Aber auf wessen Kosten?
Natürlich könnt ihr euch das Wissen reinpressen, in diesen idiotischen Wettkampf um das mehr-mehr-mehr einsteigen. Doch – und damit werfe ich etwas in den Raum, über das ich selbst noch nachdenke und noch lange, lange nachdenken werde – geht das alles nicht auf Kosten eurer Lebensqualität?
Natürlich kann man das mal machen.
Aber ich bin es leid. Ich bin dieses tägliche Vergleichen leid, dieses „Kannst du das schon?“ und „Hast du dies schon gemacht?“ und „Nein, ich bin so beschäftigt, ich habe nicht einmal eine freie Stunde mehr am Tag“. Ich bin es leid, mich schlecht zu fühlen, weil ich um zwanzig Uhr aufhöre mit dem Lernen. Weil ich nicht den halben Tag in der Bibliothek verbringe und weil nicht jeder Snap aus einem Lernbild besteht. Ich will nicht, dass sich die Äußerung eines Satzes à la „Heute gönne ich mir mal einen lernfreien Abend“ mehr wie eine Rechtfertigung denn wie eine simple Aussage anhört.
Wir brauchen eine „Ich mache das, weil es mir gut tut„-Revolution.
— TEIL 2 FOLGT —
* Ich werde mich von nun an ausschließlich auf das Lesen beziehen, um den Sachverhalt einfacher darzustellen – ich gehe auch stark davon aus, dass ein Großteil von euch gerne in der Freizeit liest. 😉
** Auch „lernen“ steht hier vereinfachend: Ich meine damit alle Arbeit, die in euer Studium/eure Bildungslaufbahn fließt.

Und noch ein kleiner Disclaimer: Ich erwarte bei aller Liebe nicht, dass jeder das, was ich hier geschrieben habe, nachvollziehen kann – ich bin mir auch sehr wohl bewusst, dass gerade heutzutage viele bspw. wegen ihres Jobs auf soziale Medien u.ä. angewiesen sind und sich fast schon bewusst auf den Wettbewerb einlassen. Ich habe hier lediglich einen Aspekt gewählt, mit dem ich mich besonders gut identifizieren kann.

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3 Kommentare

  1. Ich hab auch gleich so ziemlich am Anfang meines Studiums beschlossen, solche Aussagen zu ignorieren – sich daran zu orientieren bringt eh nichts!
    Beispielsweise sind total viele immer in der Bibliothek und lernen dort; ich hab in meinen ganzen drei Semestern noch kein einziges Mal einen Fuß dort hinein gesetzt! 😀
    Auch in der Prüfungsphase sehen ich es echt nicht ein, aufs Backen oder Lesen zu verzichten, egal, wie sehr mir diverse Facebookgruppen etc. das Gefühl vermitteln, damit die Einzige zu sein!

  2. Wahre Wort! Echt ein toller Post. Und ich kann dir nur zustimmen.
    Ich habe auch schon vor langer Zeit aufgehört, mich bei solchen Dingen mit anderen zu vergleichen. Ich gehöre einfach nicht zu den Menschen, die gefühlt 24 Stunden am Tag lernen und wenn sie mit dem Stoff einmal durch sind, wieder von vorne anfangen.
    Ich habe Zeit zum Lesen und zum Schreiben und zum Sport und dafür, etwas mit Familie und Freunden zu unternehmen. Du hast völlig recht, es geht darum, wie man sich seine Zeit einteilt und wo man die Prioritäten setzt.
    Und ich habe kein Problem damit, das zu sagen. Ich habe immer Zeit für die Dinge, die mir am meisten Spaß machen und ich finde, daran sollten sich andere Leute ein Beispiel nehmen.

  3. Halli Hallo!
    Ich habe gerade deinen Blog entdeckt und bin ganz baff von diesem Post! Weil ich mit jedem Semester versuche, mich mehr zu entspannen. Eigentlich war ich immer die 8-20 Uhr Lernerin. Bis eine Freundin von mir fast ein Burnout hatte, sie war noch "schlimmer" als ich. Von da an habe ich mir gesagt, dass es egal ist, was die anderen schon alles vorarbeiten und machen. Dann mach ich es halt morgen. Oder nächste Woche. Die Welt dreht sich weiter.
    Ein toller Post den sich manche Studenten gerne zu Herzen nehmen können! Tut der Gesundheit auf jeden Fall gut!
    Liebste Grüße,
    Elli

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