[talk about books] Homo faber, Agnes und Co. – oder warum ich keine Klassiker rezensiere

Duden definiert „Klassiker“ folgend:

„Künstler oder Wissenschaftler, dessen Werke, Arbeiten als mustergültig und bleibend angesehen werden“ (Quelle)

Ich möchte es ganz gerne mal in andere Worte packen:

Ein Buch, das dir in der Schule vorgesetzt und als „literarisch wertvoll“ bezeichnet wird

Mein Deutschlehrer meinte einmal, dass es schade wäre, dass man heute so wenig lese. (So weit stimme ich ihm noch zu.)
Dann fügte er allerdings hinzu, wenigstens würden ein paar Schüler Romane lesen. Wenigstens, ha. Als ob ein Roman – also schlichte Unterhaltungslektüre – was Schlechtes wäre. Ich würde meine ganze literarische Blog-Existenz verleugnen, wenn ich mich der Meinung anschließen würde. Lesen ist lesen, Punkt.
Aber darüber wollte ich heute eigentlich gar nicht sprechen. Zurück zum Thema!
Ich weiß gar nicht mehr, mit welchem Buch es angefangen hat. Rückblickend empfinde ich Krabat noch als harmlos, aber schon bald darauf folgten Titel wie AndorraWillhelm Tell, Die Judenbuche, Kabale und Liebe, Das Parfüm, Agnes und nun auch Homo faber. Romeo und Julia hab ich freiwillig gelesen, ha.
Kurz gesagt: Ich habe keines dieser Bücher rezensiert.
Jetzt, wo es auf mein Abi zugeht und ich schon eine richtige Sammlung dieser Reklam-Heftchen und Suhrkamp-Ausgaben habe, habe ich mich gefragt, warum das eigentlich so ist.
Meine erste Reaktion war: Na, weil ich alle grottig fand.
Die Antwort stellte mich nicht zufrieden, aber schon bald kam mir ein weiterer Gedanke: Weil das halt Bücher sind, die man nicht rezensiert. (Vielleicht sollte ich an dieser Stelle hinzufügen, dass ich hier rein verallgemeinernd spreche! Ihr dürft gern eure Meinung mit mir teilen!)
Und warum würde ich keinen dieser „Klassiker“ rezensieren?
Weil ich ehrfürchtig bin. Das bin ich, um genau zu sein, sogar ziemlich selten. Doch wenn ein Lehrer herkommt, dir so ein Ding hinknallt und sagt, Interpretiere Fabers Träume in Hinsicht auf seine innere Entwicklung, hm, ja, dann muss das ja ein ganz schön besonderes Buch sein. Bald lese ich nicht mehr, weil ich‘s halt lese, sondern weil ich nach (mehr oder weniger versteckten) Bedeutungen für all diese Worte und Umschreibungen und eliptischen Sätze suche. Und – nicht vergessen! – immer mit Stift in der Hand. Kann ja sein, dass es was Wichtiges zum Unterstreichen gibt.
Genau deshalb kann ich euch nicht sagen, dass mir homo faber nicht gefallen hat, und ich ihm theoretisch zwei von fünf Punkten geben würde. Deshalb kann ich nicht ins Fazit schreiben, dass mir das Ende dennoch irgendwie gut gefallen hat und ich mir vorstellen könnte, das Buch ein zweites Mal zu lesen.
Denn schließlich habe ich einen Klassiker vor mir. Und Klassiker kann ich doch nicht rezensieren, geschweige denn kritisieren, denn es ist schließlich von hohem literarischen Wert und was bilde ich mir ein, da überhaupt eine Meinung zu zu haben, da kann ich ja nichts Ordentliches zu schreiben.
Eine präzise Antwort auf meine Frage nach dem Warum ist es nicht, doch es ist immerhin eine Antwort. Der Grund, weshalb Agnes und Freunde zwar im Regal stehen dürfen, aber nicht auf diesem Blog. Vielleicht werden sie ja eines Tages hier auftauchen. Vielleicht werde ich eines Tages über diese Ehrfurcht hinwegsteigen. Aber bis dahin… behalt ich meine Meinung für mich.
Ich bin allerdings ziemlich interessiert an eurer Meinung. Wie haltet ihr es mit Klassikern? Müsst ihr sie überhaupt (noch) lesen, macht ihr es „sogar“ freiwillig? Oder gäbe es sogar einen, den ihr mir unbedingt empfehlen würdet?!
Habt einen schönen Montag!

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6 Kommentare

  1. Hallo,
    ein sehr interessanter Post, vielen Dank.
    Ich denke, Klassiker in der Schule zu lesen ist sinnvoll und richtig, denn in der Schule muss man manchmal (meistens) Dinge machen, die einem keinen Spaß machen. Ich kann gar nicht mehr alles aufzählen, was ich in der Schule und Uni alles für Pflichtlektüre hatte. Dir meisten haben mir nicht gefallen (wie Don Carlos, Das Leben des Galilei oder Die Judenbuche), einige dagegen fand ich sehr gut (Kassandra, Dantons Tod oder Jugend ohne Gott). Ich finde es in Ordnung, wenn man den Kindern in der Schule Klassiker näher bringt, aber ich finde die Wahl der Klassiker oftmals sehr dürftig, einseitig und dröge. Warum muss man zum Beispiel Die Blechtrommel lesen (furchtbares Buch!!!), aber nicht Stolz und Vorurteil. Sicherlich gibt es einige Schüler, die das Glück hatten, aber ich bin mir sicher, dass die wenigsten das in der Schule gelesen haben. Ich finde nämlich, dass auch stärker unterschieden werden sollte, ob es sich um Klassiker handelt, die wirklich durch die Zeit lesbar sind oder Klassiker, die so abgespaced und speziell sind, dass sie nur für eine bestimmte Zeit lesbar waren.
    Sowieso dürfen die Schüler einfach nicht mitbestimmen, was sie lesen sollen. Ihnen wird höchstens eine Wahl gelassen aus schlimm, schlimmer, am schlimmsten. Und daraus dürfen sie wählen. Warum dürfen sie nicht selbst vorschlagen, was sie lesen wollen? Klar, ich kann verstehen, dass Harry Potter nicht unbedingt abgesegnet wird, aber es gibt gute (moderne) Literatur, von der die Jugend auch was lernen kann. Es müssen nicht immer die drögen Klassiker von Schiller oder Grass sein.
    Was das rezensieren betrifft, ja auch ich empfinde es als schwierig. Wer ist man als kleiner Pimpf, dass er ein Buch kritisieren/bewerten darf, dass als Weltliteratur gilt?
    Ich habe nur einige wenige Klassiker auf meinem Blog rezensiert, aber dabei handelte es sich noch um die harmloseren Werke wie Alice Adventures in Wonderland oder The Secret Garden (Bücher, die in englischsprachigen Schulen auf dem Lehrplan stehen, ebenso wie moderne Literatur a la The Bridge to Terabithia und ja, manchmal auch The Hunger Games, denn auch aus diesen Büchern kann man lernen).
    Ich denke, das deutsche Schulsystem sollte alles nochmal gewaltig überdenken, wenn es daran geht, die Schüler Klassiker und Literatur im Allgemeinen lesen zu lassen. Und es gibt ja noch genug hochinterlektuelle Werweißwas für Typen, die eh nichts anderes lesen und über allem die Nase rümpfen, auf dem nicht Goethe, Fallada oder Grass steht.
    Liebe Grüße, KQ

  2. Ich mag deinen Gedankengang sehr gerne! Genau das ist es, was ich mich auch gefragt habe – wer bestimmt, welche Bücher wir lesen, und warum eigentlich? Wie definiert man literarisch wertvolle Dinge? 😉 Ich bin da ehrlich gesagt gespannt, wie sich das entwickelt – was die Kinder in zehn, zwanzig Jahren lesen (müssen).
    Dantons Tod ist bei mir dieses oder nächstes Jahr auch noch Pflichtlektüre, wenn du meinst, dass das gut ist, bin ich schon mal gespannt 😉
    Danke dir für den ausführlichen Kommentar!
    Alles Liebe, Bella

  3. Da auch ich mal zur Schule ging und nun zwei recht buch- und literaturaffine Fächer studiere, möchte ich mich auch zu diesem Thema und zur Problematik äußern. Nebenbei gebe ich auch Nachhilfe in Deutsch und habe dadurch immer noch Einblicke in das Schulwesen und die Literaturauswahl.
    Voranstellen muß ich allerdings, daß ich Deine »Übersetzung« der Definition als nicht wirklich gelungen und treffend empfinde, eher eine sehr emotional-subjektive Ansicht von Klassikern. Eigentlich kann man unter Klassikern kanonisierte Literatur verstehen, die aufgrund besonderer Merkmale (besonderer Schreibstil, aktuelle Thematik, Neuheiten zu ihrer Zeit, ausgezeichnete Sprache…). Der Kanon wird dabei weniger vom Volk, denn mehr von Literaturwissenschaftlern und Rezensenten bestimmt, insofern kann man Deine Kritik nach dem mangelnden Mitspracherecht fernab derer, die Literatur auf einem hohen Niveau beurteilen verstehen. Allerdings sehe ich diese Kanonisierung als wichtig an, denn ich bin der Überzeugung, daß andernfalls, würde man die breite Masse den Kanon gestalten lassen, die Qualität dieses immer weiter schrumpfen würde, da die meisten nur zum Vergnügen lesen. Für sie, egal ob Schüler, Arbeiter, Rentner… muß Literatur in erster Linie unterhaltenden Charakters sein. Sich leicht lesen lassen, vielleicht etwas bilden, einen fesseln, anstrengende Stunden des Alltags vergessen lassen und einfach ablenken. Da zählen rhetorische Formen in ihrer Vollendung nicht wirklich was, Sprachkunststücke und erzählerische Bonmots werden nicht als solche anerkannt und gewürdigt. Literatur, die mehr ist als nur fesselnde Fantasy-Alltags-Literatur würde gar nicht mehr gelesen und/oder verstanden werden. Insofern finde ich es gut, daß in der Bildung auch solche, auch literaturgeschichtlich wertvollen Bücher gelesen und analysiert werden. Die wenigstens werden je wieder ein griechisches Drama oder ein Werk aus dem 19. Jahrhundert freiwillig lesen. Selbst jetzt: wieviele lesen denn schon die Preisträger des Büchner-Preises? Bücher, die besonders durch ihre literarischen Qualitäten herausstechen.
    Man könnte zwar auch mal die Schullektüre etwas auffrischen, aber daß man jetzt unbedingt nur noch aktuelle Literatur – Massenlektüre, weil's so schön und spannend ist – in das Schulprogramm einbaut, davon halte ich nichts. Schüler sollten gerade was die muttersprachliche Literaturgeschichte und ihre Besonderheiten angeht umfassend gebildet werden, und da kommt man an einem mittelalterlichen Epos oder einem Lessing oder Grass eben schwerlich vorbei.

    Zum Thema Besprechen von Klassikern: ich kann Deine Ehrfurcht verstehen. Gerade bei Büchern, denen von Beginn an das Prädikat »Besonders wertvoll« anhaftet, steht man ehrfüchtig gegenüber. Und was dann tun, wenn es einem nicht gefiel? Aber gerade an solchen Werken kann man auch seine eigenen Rezensionsqualitäten schulen und wirklich mal unter analytischen Gesichtspunkten rangehen und fragen, warum genau einem das und jenes besonders gut gefiel oder eben nicht. Und was für Besonderheiten einem auffielen, auch mal fernab vom üblichen »Ich konnte es leicht lesen«.

    Soviel nur von mir in aller Kürze dazu.

    Einen lieben Gruß an Dich!

    Shaakai

  4. Guten Morgen, Shaakai, und vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar!
    Zu meiner Definition möchte ich zuerst kurz anmerken, dass ich keinesfalls bemüht war, diese möglichst korrekt zu formulieren – sie sollte einfach dazu dienen, meine Gedanken in diesem Moment so prägnant wie möglich einzufangen. Denn mein Blog dient in erster Linie der Unterhaltungsliteratur, und klar will ich gute Texte/Rezensionen verfassen – die Authenzität soll allerdings nicht darunter leiden.
    Ich verstehe jedoch, was du meinst, und ich finde deine Gedankengänge sehr treffend. Nie war es meine Absicht gewesen, zu kritiseren, dass solche Werke in der Schule überhaupt gelesen werden – wie du es selbst sagst, es ist sehr wichtig, auch die deutsche Literatur zur Genüge zu kennen! Wenn wir im Unterricht ein Buch besprechen, und selbst wenn es eines ist, das mir nicht wirklich "gefallen" hat, so bereitet es mir dennoch Freude, darüber zu diskutieren und mehr zu lernen. Denn dazu bin ich schließlich da, deshalb gehe ich zur Schule: um zu lernen. Ich möchte selber mal Literaturwissenschaften studieren, und wenn ich solche Lektüre wirklich so verabscheuen würde, dann wäre ich ja komplett falsch 😉 Ich möchte gerne lernen, mich damit auseinanderzusetzen, und ja, das mag ein langer Weg sein, und das ist auch okay so.
    Dennoch gilt der Blog hier, wie bereits erwähnt, der "bloßen" Unterhaltung, und das ist unterm Strich auch nichts Schlechtes. Letzten Endes bleibt das Lesen für mich ein Vergnügen – und das ist, denke ich, auch okay so.
    Viele Grüße an dich zurück,
    Bella

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