Inhalt
Felix hat schon sein ganzes Leben lang das Gefühl, im Schatten seines Bruders zu stehen, bei dem er lebt. Auch sein BWL-Studium ist für ihn mehr eine lästige Pflicht als Vergnügen. Das Einzige, was ihm etwas Frieden bringt: Menschen mit Kreide zu malen.
Alisa hat ihr Medizinstudium in München in der Hoffnung begonnen, ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen, einen Neuanfang zu starten. Nachts betrachtet sie Felix‘ Zeichnungen, und eines Tages trifft sie auf den Künstler. Zwischen den beiden beginnt eine zarte Liebe … doch Felix merkt schnell, dass Alisa mehr als nur ein paar Geheimnisse besitzt.
Meine Meinung
Schon mit ihrem Debüt Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen hat Ulla Scheler bewiesen, wie gut sie schreiben kann. Deshalb habe ich mich umso mehr gefreut, eine Chance zu erhalten, Und wenn die Welt verbrennt zu lesen. Nach Erhalten des Buches war meine Neugier so groß, dass ich es gleich am selben Abend aufgeschlagen habe – und am Abend darauf die letzte Seite las. Dass das Buch über 400 Seiten schwer ist, merkt man zu keinem Augenblick, im Gegenteil; ich inhalierte Felix‘ und Alisas Geschichte förmlich, und gerade die ersten drei Viertel des Buches waren toll, stellenweise grandios.
Die Geschichte wird sowohl aus Alisas Perspektive im Präsens als auch aus Felix‘ Perspektive im Präteritum erzählt – ein Tempuswechsel, der mir so noch nie begegnet ist und der mir überraschend gut gefallen hat. Bis auf ein paar holprige Übergänge ist die Erzählung aus den zwei Perspektiven in meinen Augen sehr gut gelungen.
Schnell hat sich Felix als mein persönlicher Favorit herauskristallisiert: seine Gefühle, nie gut genug zu sein, und seine Ziellosigkeit im Leben werden von Scheler so subtil, aber doch allanwesend dargestellt, dass ich gar nicht anders konnte, als mit ihm mitzufühlen.
Mit Alisa hatte ich dafür ein paar Schwierigkeiten, was hauptsächlich daran liegt, dass sie die Geheimnistragende der beiden ist – sie hat diese düstere Vergangenheit, die sie zwar verdrängen will, aber nicht kann. Allerdings wird gerade zu Anfang dieses Geheimnis nur angedeutet, auch in Felix‘ Perspektive, und das ziemlich oft, etwas, was mich persönlich stört. Es ist klar, dass ein Geheimnis besteht, dann muss man nicht noch andauernd darauf hinweisen, ohne dem Leser oder den Figuren selbst irgendwelche Klarheit anzubieten.
Umso besser hat mir dann die Richtung gefallen, die die Geschichte eingeschlagen hat. Während ich die Beziehung von Felix und Alisa zumindest anfangs etwas überstürzt fand, begannen die beiden schnell, sich besser kennen zu lernen und miteinander statt gegeneinander zu arbeiten – zumindest von Felix‘ Seite aus, Alisa öffnete sich nur langsam. Und gerade diese Enthüllung ihrer Vergangenheit, die Twists beinhaltet, die selbst Alisa so nicht vorausgesehen hat, war der prominente Faktor, der es mir unmöglich machte, das Buch aus der Hand zu legen. Immer, wenn ich dachte, jetzt auf der richtigen Spur zu sein, brachte Ulla Scheler eine neue Überraschung ein, und es gab bis zum Ende eigentlich nur einen Aspekt, den ich richtig erraten hatte – sehr cool, und vor allem eine Richtung, die ich nicht erwartet hatte.
Wie bereits erwähnt: Der Schreibstil hat mir außerordentlich gut gefallen, noch besser als in Schelers Debüt. Einerseits trug er mich durch die Geschichte, andererseits schaffte es die Autorin mit ihren Worten, kleinste zwischenmenschliche Nuancen auszudrücken und Gefühle zu formulieren, die man sonst gar nicht erfassen kann. Klasse fand ich es auch, dass Alisa in ihren Kapiteln immerzu einen „kleinen Käfer“ anspricht. Wirklich wunderschön.
Jetzt kommt das große Manko. Leider. Denn bis zu etwa den ersten dreihundert Seiten wäre Und wenn die Welt verbrennt ein Buch gewesen, das vier, wenn nicht sogar fünf Sterne verdient hätte. Ich war voll und ganz in der Geschichte drinnen – bis die Charaktere sich auf einmal selbst zu widersprechen schienen, und der Plot zwar einen überraschenden Twist nahm, die Konsequenzen aber so absurd waren, dass ich das Gefühl hatte, ein völlig anderes Buch in der Hand zu halten. Felix machte plötzlich Dinge, die nicht im Geringsten zu erklären waren, und darüber hinaus beinhaltete der Plottwist eine Straftat, die von keinem der Charaktere – weder von den Tätern noch von den Mitwissenden – thematisiert wurde. Die Krönung zu dieser Absurdität bildete das letzte Kapitel, das mehr wie ein verzweifelter Versuch wirkte, die Geschichte in die richtige Richtung zu biegen, letztendlich bei mir aber nur einen bitteren Beigeschmack hinterließ.
In der Danksagung berichtet Ulla Scheler von ihren Problemen beim Schreiben des Buches, und leider merkt man das dem Endprodukt auch an. Nach diesem fulminanten Auftakt war das Ende so absurd und abwegig, dass ich enttäuscht und frustriert gleichermaßen war und mir fast wünschte, niemals die letzten Kapitel gelesen zu haben.
Ich kann mir aktuell nicht vorstellen, in der Zukunft zu einem weiteren Buch von ihr zu greifen; der Schreibstil rettet nicht über die Probleme der Charaktere und des Plots zurück, und in dem Fall von Und wenn die Welt verbrennt auch nicht über die Ignoranz, mit der ernste Probleme im Text behandelt werden.
Fazit
Und wenn die Welt verbrennt beginnt vielversprechend – gerade der Protagonist Felix beeindruckt mit seiner subtilen Sympathie, die Wendungen des Plots sind überraschend und der Schreibstil ist wieder einmal atemberaubend schön. Leider entwickelt sich die Geschichte auf den letzten hundert Seiten in eine Richtung, die an Absurdität und Unglaubwürdigkeit kaum zu übertreffen ist und letztendlich nur Enttäuschung und Frustration hinterlässt.