Tower of Dawn, oder: das Ende meiner Maas-Ära

Dieser Beitrag ist halb eine Rezension, halb eine Skizze von meinem komplizierten Verhältnis zu Maas und wie dieses endete. Soll heißen: Ich weiß nicht, ob er abgesehen von meinem Gejammer etwas Wertvolles bietet. Aber dennoch konnte ich mir nicht verkneifen, ihn zu schreiben. (Achtung: Enthält Schlafmangel und eine überdurchschnittlich große Prise Sarkasmus (das eine bedingt das andere).)

Dieser Beitrag enthält Spoiler zu Tower of Dawn und sämtlichen vorangehenden Throne of Glass-Büchern.

Inhalt

Zusammen mit Nesryn reist Chaol nach Antica in der Hoffnung, dass die Heiler des Torre Cesme seine Beine heilen können. Doch dieser Prozess verläuft alles andere als reibungslos – und ist mit größeren Gefahren verbunden, als alle Beteiligten hätten ahnen können.

Meine Meinung

Ich bin davon ausgegangen, Tower of Dawn nicht zu mögen. Weil ich Chaol in den vorangehenden Büchern schon nicht leiden konnte und ich wollte mich mit diesem oh-nein-er-ist-querschnittsgelähmt-wir-müssen-ihn-heilen-Narrativ nicht recht anfreunden. Sagen wir es so: Ich bin mir nicht sicher, ob ich Chaol jetzt besser leiden kann. Aber was die disability rep anbetrifft, hat mich Maas mehr als positiv überrascht. Da ich able-bodied bin, bin ich natürlich nicht die richtige Instanz, um das abzunicken – ich beziehe mich vor allem auf diese und diese Rezension, die von Betroffenen verfasst wurden. Aber auch im Buch wird immer wieder betont, dass Chaol nicht weniger „ganz“ ist, weil er im Rollstuhl sitzt; dass er letztendlich den Heilungsprozess durchmacht, nur um am Ende wieder verletzt zu werden, hat mich darin bestätigt, und mit diesem Teil der Auflösung war ich wirklich sehr, sehr zufrieden.

Gerade zu Anfang hat mich auch das neue Setting sehr begeistert. Im Gegensatz zu den anderen Büchern gibt es hier einen Cast, der überwiegend aus PoC besteht. Ein größerer Nebencharakter ist lesbisch (was ich vermutlich (noch) cooler finden würde, wenn Maas auch mal queere Hauptcharaktere hätte, und nein, einmal zu erwähnen, dass Aedion bi ist, reicht nicht). Zugegeben hatte und habe ich Schwierigkeiten, die Kinder des Khans auseinanderzuhalten, was schade ist, da ich dort viel Potential für wirklich spannende politische Konflikte gesehen habe. Aber natürlich geht das nicht, wenn man in einer siebenteiligen Reihe beim sechsten komplett das Setting wechselt. Nun gut.

Ich glaube, mein Highlight der Geschichte ist Yrene. Dass Maas noch mehr Figuren aus The Assassin‘s Blade aufgreift, ist cool genug, aber dass es ihr gelingt, aus dieser vagen Gestalt so eine dreidimensionale Figur zu machen, hat mir wirklich gut gefallen. Wie sie Chaol Kontra gibt und sich das nicht ändert, nachdem sie romantisch involviert sind, mochte ich sehr gerne, und überhaupt ist sie einfach so klug und überlegt und unglaublich sympathisch (die Poolszene mit Hasar ist göttlich!).

Gleichzeitig komme ich nicht umhin, Tower of Dawn als Versuch Maas‘ zu lesen, noch ein paar Hetero-Pärchen zu schaffen, bevor die Reihe ein Ende nimmt. Vielleicht hätte ich auch einfach früher verstehen sollen, dass Nesryn und Chaol eben nicht füreinander bestimmt sind (dafür lief zu viel von ihrer Beziehung im Hintergrund ab), aber die paar Szenen, die die beiden am Ende von Queen of Shadows haben, haben mich wohl in die Irre geführt. Bei Tower of Dawn wird ziemlich schnell deutlich, dass die beiden einfach null Komma null miteinander zu tun haben und Chaols „Ich halte mich an meine Versprechen“-Gejammer zögert ab einem gewissen Punkt nur noch seine und Yrenes Vereinigung raus. Sorry not sorry. ¯\_(ツ)_/¯ Und natürlich muss Nesryn auch ihren Prinzen abkriegen. Gott bewahre, dass irgendjemand in dieser Reihe single bleibt.

Dass am Ende noch enthüllt wird, dass Chaol und Yrene verheiratet sind, hat mir außerdem schon so ein bisschen den Rest gegeben. Ich meine, wirklich? W i r k l i c h? Und warum muss man eigentlich immer betonen, dass sie sich von der ersten Sekunde an geliebt haben, wenn man mir fünfhundert Seiten vorher noch weismachen wollte, dass sie sich kaum aushalten können? (Um dieses perfekte Pärchen-Narrativ zu erzeugen. Ich weiß, ich weiß.)

Schon im Voraus wurde mir immer wieder gesagt, dass das Buch wirklich wichtig für die Reihe ist und dass es eine großartige Enthüllung gibt und … naja, ich habe irgendwie etwas Bewegenderes erwartet. Dass Maeve Dreck am Stecken hat, wussten wir. Jetzt wissen wir auch, dass wir mit dem Dreck bereits bestens vertraut sind. Und ja, meine Indifferenz hat möglicherweise damit zu tun, dass ich immer wieder Schwierigkeiten habe, diesem ganzen Plot überhaupt noch zu folgen. Aber abgesehen von dieser Enthüllung war das Buch halt … immer noch nicht so relevant für das große Ganze? (Maas will jetzt bestimmt einwenden, dass es halt dafür um die Liebe geht.) Gerade die Kapitel aus Nesryns Sicht haben mich irgendwann einfach nur noch gelangweilt – ich mochte sie nie genug, um mich wirklich für ihre Geschichte zu interessieren.

Tower of Dawn war mir darüber hinaus eine Lehre. Ich hatte hier erstmalig darüber geschrieben, wie lange es gedauert hat, mir einzugestehen, dass Maas‘ Bücher alles andere als perfekt sind. Dann dachte ich mir, dass es eine gute Idee wäre, die Rereads in Videoform zu dokumentieren (The Assassin‘s Blade und Queen of Shadows). Nachdem beide Rereads mehr schlecht als recht liefen und ich vereinzelt diese ursprüngliche Freude an den Büchern wiederfinden konnte, dachte ich mir, dass ich vielleicht einfach etwas von Maas lesen müsste, das mir noch unbekannt war. Ich will nicht sagen, dass es eine vollkommene Zeitverschwendung war – aber ich habe mir das Ganze um einiges schwerer gemacht, als es hätte sein müssen. Anstatt mir einzugestehen, dass ich die Bücher mal geliebt habe und das einfach nicht mehr der Fall ist, habe ich versucht, dieser Nostalgie nachzujagen. Habe mich darüber aufgeregt, wie viele Auslassungspunkte und Gedankenstriche es auf jeder Seite gibt und kann Maas eigentlich keine ordentlichen Sätze oder Paragraphen schreiben? Gleichzeitig habe ich stellenweise diese Nostalgie gefunden – es gab Momente in Tower of Dawn, die mein Herz schneller schlagen ließen, und andere, in denen ich grinsen musste. Aber am Ende des Tages war ich ernüchtert, denn es war nicht dasselbe; natürlich war es das nicht.

Was habe ich also gelernt? Dass man Dinge einfach manchmal loslassen muss. Ohne Vorbehalt. Ohne zu versuchen, das Ganze perfekt zu inszenieren, diesen runden Abschluss zu schaffen. Dass „es ist ja jetzt nur noch ein Buch“ kein guter Grund ist, um weiterzulesen. Dass ich Maas‘ Bücher vor drei Jahren gebraucht habe, und das jetzt nicht mehr der Fall ist; ich sie auch gar nicht mehr unterstützen will. Dass ich mich damit auseinandersetzen kann, ja, aber dass ich kein Drama daraus machen muss, wie es hier der Fall war. Zumindest in diesem Sinne kann ich Chaol verstehen: Es ist schwierig, die Vergangenheit zu konfrontieren und loszulassen. Aber gerade das ist von Zeit zu Zeit nötig.

Fazit

Tower of Dawn bringt frischen Wind in die Throne of Glass-Reihe, das steht für mich außer Frage. Und das Buch hat seine guten Momente – insbesondere der sensible Umgang mit Chaols Behinderung und Yrene haben mich überzeugen können. Letztlich hat es mich jedoch zu sehr frustriert, um noch zu Kingdom of Ash zu greifen.

Tower of Dawn ○ Hardcover: 672 Seiten ○ Band 6/7 ○ Bloomsbury ○ ca. 15€*

Weitere Meinungen:
Traumrealistin (3/5)


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3 Kommentare

  1. Liebe Isabella,

    Danke für diesen Beitrag. Zu verstehen, dass man aus einer Buchreihe oder einem Genre heraus gewachsen ist, fällt mir immer sehr schwer und erfüllt mich mit unverdienter Nostalgie. Ich fand es sehr spannend zu lesen, was du von Tower of Dawn gehalten hast, auch wenn ich noch viele Fragen habe. Denn ich mag diese Bücher trotz ihrer Kritikpunkte sehr, dazu bin ich einfach zu sehr in Fantasy vernarrt und ich finde, dass Sarah J. Maas großartige Welten schaffen kann. Nachdem ich die letzten drei Bände alle hintereinander gelesen habe, sind auch mich vermehrt die Liebesbekundungen aufgefallen, die mich gestört haben. Was ist so falsch daran zuzugeben, dass der erste (oder zweiter oder dritte) Eindruck falsch war und man sich dennoch in eine Person verlieben kann?

    Die Welt von Antica fand ich auch super spannend und würde gerne in einer Novelle dahin zurück kehren, ich denke, da kann man noch viele Geschichten erzählen. Ich mochte Nesryns Handlungsstrang sehr gerne, die Ruks sind wahnsinnig faszinierend, allgemein die ganze Kultur. Und die Geschichte! *Spoiler* Aaah, diese verfallenen Türme der Fae und ihre Geschichte mit den Spinnen. Ich liebe sowas einfach.

    Chaol mochte ich übrigens seit Buch eins schon, seine Figur ist wahnsinnig spannend, da er so schön zwischen Pflichtgefühl und Richtig oder Falsch steht. Auch die Repräsentation der Einschränkung fand ich gut, auch wenn ich nicht so tief nachgeforscht habe, wie du. Allerdings ist mir aufgefallen, dass SJM sich nicht gut von Figuren trennen kann. Gerade am Ende von ToD war ich wieder ein bisschen vor den Kopf gestoßen, weil all dieses „es-hat-einen-Preis“-Gehabe sich selten wie ein wirklicher Preis anfühlt. Bei Chaol war es zwar schon drastischer, aber ich finde irgendwie noch nicht drastisch genug. Ich hoffe irgendwie, dass sie in ihrer Erwachsenen-Reihe da vielleicht etwas mutiger wird, denn Figuren verletzen kann sie ja offenbar.

    Ich mochte ToD und auch KoA richtig gerne, trotz einiger Probleme. Ich frage mich ja, ob du wenigstens wissen willst, wie die Reihe geendet hat, auch wenn du das Buch nicht lesen magst. Ich glaube, ich müsste eine Reihe oder ein paar Figuren schon wirklich sehr hassen/ gleichgültig sein, um den letzten Band nicht zu lesen. (Da fällt mir ein, ich habe nie die Schnee-wie-Asche-Trilogie von Sara Raasch beendet, dabei habe ich da Teil 1 und 2 bereits gelesen. ^^‘)
    Tja, also: Ich mochte deinen Beitrag sehr gerne, ich finde du hast das alles gut dargelegt und erklärt und lese mir gleich mal noch die Betroffenen-Reviews durch.

    Alles Liebe,
    Friederike.

    1. Liebe Friederike,

      ja, es ist wirklich schwierig, sich von Buchreihen zu trennen, denen man entwachsen ist. Ich beneide dich auch ein bisschen darum, dass du die letzten drei Bände so Rücken an Rücken lesen und noch so viel Freude daran haben konntest! Aber ich bin froh, dass es nicht nur mir mit den Liebesbekundungen so geht. 😀 Es ist doch okay, wenn nicht von Anfang an alles wunderbar reibungslos läuft (wann tut es das schon), warum versucht Maas, das rückblickend so artifiziell zu glätten?

      Jaaa, ich kann mir gut vorstellen, dass in der Zukunft noch mehr aus Antica kommen wird. 🙂 Aber die Ruks haben mir auch sehr gut gefallen! (Ich mochte auch, dass Sartaqs und Nesryns Beziehung sich seeeeeehr langsam entwickelt.)

      Stimmt, Chaol hat eine starke innere Zerrissenheit. Mir war sein Gejammer gerade in den ersten Büchern einfach zu viel, aber schön, dass dir sein Charakter besser gefällt. Obwohl du natürlich recht hast – dass alles doch irgendwie gut ausgeht und ohne tiefgreifende Konsequenzen, hat mich verstärkt in Maas‘ ACOTAR-Reihe gestört. Obwohl das, so weit ich weiß, bei Kingdom of Ash nicht anders endet?

      Was mich schon zu deiner Frage bringt – ich habe diese Rezension über Kingdom of Ash gelesen: https://readatmidnight.com/2018/10/27/book-rant-kingdom-of-ash/ Ja, die ist alles andere als positiv gestimmt, aber sie greift die Punkte auf, von denen ich weiß, dass sie mich auch gestört hätten. Bei mir hat das „Aufgeben“ weniger mit hassen zu tun, ich glaube, ich will mir einfach die letzten schön(er)en Erinnerungen an die Reihe wahren, die ich noch habe. Bei diesem 1000-seitigen Abschluss würde bei mir mehr Frust aufkommen als alles andere. 🙂 Ich verstehe allerdings deinen Kommentar, dass du auch in Zukunft Maas verfolgen wirst? Insbesondere ihre neue Reihe? Dann warte ich in jedem Fall gespannt auf deine Rezensionen in der Hinsicht. 😀

      Vielen lieben Dank! Freut mich, dass der Beitrag zumindest etwas Sinn ergibt. Ich hatte das Gefühl, nur wirre Gedanken von mir zu geben ?

      Alles Liebe
      Isabella

      1. Hey,
        ich antworte hier einfach nochmal. Ja, ich habe vor, die neue Reihe zu lesen. Zumindest bin ich ihr nicht abgeneigt gegenüber. Erstmal lese ich „Catwoman“ von SJM, hoffentlich kommt da schon etwas von den gewünschten Verbesserungen, wenn dem aber nicht so ist, werde ich mit „Crescent City“ sehr vorsichtig sein. Es ist nur leider so, dass mich der Weltenbau von SJM einfach wahnsinnig anspricht, ich kann da immer schwer widerstehen.

        Ich habe die Rezension mal gelesen, die du verlinkt hast und kann einigem zustimmen, andere Sachen sind dann wiederum Geschmackssache. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass die Schreiberin kein gutes Bild von SJM haben wollte …

        Deine Selbstbeherrschung eine Reihe abzubrechen, um die schönen Erinnerungen zu erhalten, hätte ich übrigens auch gerne. Viel zu oft habe ich wegen guter Eindrücke schon weiter gelesen, nur um dann eines Besseren belehrt zu werden. Allerdings hätte ich dann wohl nie Lady Midnight gelesen, was mein bisher liebstes Buch von Cassandra Clare ist, hehe. Mortal Instruments fand ich nämlich eine ganze Weile lang doof.

        Liebe Grüße,
        Friederike.

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