Nevernight: Das Spiel von Jay Kristoff

Da es sich hierbei um einen zweiten Band handelt, kann die Rezension Spoiler enthalten.

Nach den fulminanten Ereignissen des ersten Bandes ist Mia Corvere ihrer Rache näher denn je: Sie lässt sich versklaven, um in einer Gladiatii-Staffel für einen Platz im Venatus Magni zu kämpfen – denn wenn sie dort gewinnt, wird sie von Konsul Scaeva und Kardinal Duomo persönlich gekrönt und kann endlich ihre Rache nehmen. Doch der Weg dorthin ist lang … und von ungeahnten Komplikationen gesäumt.

Meine Meinung

Nachdem ich Nevernight: Die Prüfung beendete, war ich nicht nur schwer begeistert, sondern begann im selben Moment, den zweiten Band sehnsüchtig zu erwarten. Als ich diesen dann endlich in den Händen hielt, war die Vorfreude groß – nur leider ging es nicht ganz so fulminant weiter, wie erhofft, und rückblickend habe ich das Gefühl, dass Nevernight: Das Spiel leider ein wenig der Lückenfüller-Gefahr des zweiten Bandes zum Opfer fiel.

Wie auch beim ersten Band wird Nevernight: Das Spiel anfangs in zwei Timelines erzählt, die beide Mia behandeln, dieses Mal aber nur einige Monate, nicht mehrere Jahre auseinander liegen. Während ich mich beim ersten Band an dieses Konzept gewöhnen konnte, gelang mir das beim zweiten Teil nicht so recht. Immer, wenn ich mich endlich in der einen Timeline zurechtgefunden hatte, wechselte Kristoff in die andere und riss mich wieder aus der Geschichte heraus. Die ersten einhundertfünfzig Seiten zogen sich, und ich war seltsam erleichtert, als es nur noch eine Timeline war. Der Anfang hätte nicht nur um einiges gekürzt werden können – bis Mia in der Gladiatii-Staffel ankommt, vergeht fast ein Viertel des Buches –, er hätte meines Erachtens auch einfacher chronologisch erzählt werden können.

Nach dem Überwinden dieser Anfangsschwierigkeiten stellte sich jedoch der altbekannte Flair ein, den ich im Vorgänger kennen und lieben gelernt hatte. Geniale Kampfszenen, sarkastische Metakommentare in den Fußnoten, ein neuer, aber nicht minder spannender Cast. Was im ersten Band die anderen Akolythen waren, sind in Nevernight: Das Spiel Mias Gladiatii-Kollegen – nur besser, wenn das irgendwie Sinn macht. Alle müssen für den Augenblick wohl oder übel miteinander auskommen, es gibt zwar Rivalität, aber darüber noch etwas ganz anderes: Kameradschaft. Da es zu viele Mitglieder sind, um auf alle einzugehen, sei nur gesagt, dass es keinen von ihnen gab, der mir nicht doch irgendwie ans Herz wuchs, allen voran Sid. Sid ist so ziemlich der grandioseste Nebencharakter aller Zeiten. Ich mein’ ja nur.

Der Rest von Nevernight: Das Spiel lässt sich am besten als Akkumulation von Enthüllungen beschreiben, die mich mal mehr, mal weniger überrascht haben. Es gab einige Dinge, die ich vorausgesehen habe, und erschreckend weniges, das mich wirklich kalt erwischte. (Ich sage „erschreckend“, weil Kristoffs Bücher zumindest auf mich immer einen ordentlichen Schock-Faktor wirkten. Vielleicht bin ich verwöhnt.) Bei manchen Entwicklungen wartete ich eigentlich nur darauf, dass sie geschehen würden, und nur der Zeitpunkt dafür hing irgendwie in der Schwebe.

Nevernight: Das Spiel ist ohne Frage unterhaltsam, was allen voran Kristoffs Schreibstil, der besonders im Humor des Werks und in den Kampfszenen brilliert, zuzuschreiben ist. Nachdem ich diese 150-Seiten-Hürde überwunden hatte, brauchte ich nicht allzu lange, um die letzten 550 Seiten zu lesen, dennoch konnte ich am Ende das Gefühl nicht abschütteln, dass es diesen zweiten Teil nicht wirklich gebraucht hätte. Es wurde eine immense Menge Fragen aufgeworfen, aber nur sehr wenige Antworten geboten – eigentlich keine –, und überhaupt hat sich im Plot nicht viel getan. Gerade der Mittelteil des Buches bestand nur aus einer Aneinanderreihung an Kämpfen – wie gesagt, unterhaltsam geschrieben, aber im Großen und Ganzen nicht die Geschichte vorwärtsbringend.

In den letzten zehn Seiten legt Kristoff noch mal einen Zahn zu, doch ein schockierendes Ende, von dem ich in anderen Rezensionen gelesen habe, ist es für mich nicht wirklich. Es macht Lust auf den dritten Band, ja, und hinterlässt natürlich einen guten letzten Eindruck – aber nicht gut genug, um für mich die durchmischten Enthüllungen und die mangelnde Vorwärtsbewegung zu entschuldigen.

Ich habe allerdings einiges an Vertrauen in den dritten Band – und bin unglaublich gespannt, wie das Ende von Mias Geschichte aussehen wird.

Fazit

Nevernight: Das Spiel ist ein guter, teils durchwachsener zweiter Band. Nach einem schleppenden Anfang konnte mich das Buch gut unterhalten, wenn auch nicht so sehr begeistern, wie es dem ersten Band gelang. Fans vom ersten Band würde ich definitiv raten, weiterzulesen – ich für meinen Teil bin gewaltig auf den Abschluss dieser Trilogie gespannt.

Nevernight: Das Spiel ⚬ übersetzt von Kirsten Borchardt ⚬ Hardcover: 704 Seiten ⚬ Fischer Tor ⚬ Band 2/3 ⚬ 22,99€*

Danke an Lovelybooks und den Fischer Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

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4 Kommentare

  1. Oh, wow. Irgendwie habe ich gar nicht damit gerechnet, dass es dir nicht so gut gefallen könnte.
    Da bin ich jetzt irgendwie umso gespannter, wie ich es finde – wenn ich denn endlich dazu komme 😀 Ich habe mittlerweile zwar schon beschlossen, dass ich es näher am Erscheinungstermin von „Darkdawn“ lesen möchte, aber theoretisch ist das ja mittlerweile auch gar nicht mehr so lange hin…

    1. Dann sind wir zwei, ich habe nämlich auch nicht damit gerechnet. 😀 Aber ja, ich bin auch gespannt auf deine Meinung! Da ich die deutschen Ausgaben lese, werde ich wohl noch etwas länger auf den dritten Teil warten müssen, aber damit kann ich gut und gerne leben. (Und Kristoff hat am Anfang von Godsgrave eine kleine Zusammenfassung von Nevernight gestellt – vielleicht macht er das ja auch bei Darkdawn.) Ich sehe aber auch viele begeisterte Bewertungen von dem Buch, und gerade die Goodreads-Bewertungen (4,28 bei Nevernight und 4,59 bei Godsgrave) stimmen ja überhaupt nicht mit meinem Empfinden überein, also stehen die Chancen, dass es dir besser gefällt, statistisch bestimmt ganz gut? 😀

  2. Wie schade, dass es dir nicht ganz so gut gefallen hat, aber das ist bei den zweiten Bänden ja oft ein Problem. Ich bin aber zuversichtlich, dass Jay Kristoff die Ereignisse des zweiten Bandes im nächsten Teil noch etwas besser mit der übergreifenden Story verknüpfen kann. Bestimmt haben auch die anderen Gladiatii noch eine weitere bedeutende Rolle in der Story. Wir werden sehen 🙂 Ich persönlich fand es richtig gut wie auch schon den ersten Teil und zumindest eine der großen Story-Überraschungen am Ende konnte ich nicht erahnen! Die andere hingegen habe ich schon seit des ersten Bandes vermutet (man will hier ja nicht Spoilern, falls hier mal jemand meinen Kommentar überfliegt ;))
    Aber ich glaube unter dem Strich geht es uns ähnlich – der letzte Band kann gar nicht schnell genug kommen!

    Liebe Grüße
    Anja

    1. Ich glaube, ich weiß, welche Enthüllung du meinst – ich pflege immer zu sagen: Solange man keine Leiche sieht, ist die Person vermutlich auch nicht tot. 😛
      Aber ja, da bin ich ansonsten voll und ganz bei dir. Ich denke, dass Kristoff das Ganze gut durchgeplant hat und mich im dritten Band wieder voll überzeugen wird. Und an die weitere Bedeutung der Gladiatii habe ich noch gar nicht gedacht! Aber jetzt, wo du es sagst … Ich hoffe ja sowieso, Sid noch einmal wiederzusehen.
      Dann hoffe ich, dass unsere Wartezeit mit anderen spannenden Büchern gefüllt wird!

      Alles Liebe
      Isabella

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