Monstress: Das Erwachen von Marjorie Liu und Sana Takeda

Selten hatte ich so ein übles Buch-Hangover wie nach dem Beenden von Monstress. Vielleicht liegt es daran, dass es ein Comic ist und man somit sich die Welt nicht vorstellen muss, sondern sich voll und ganz auf die Überlegungen der Autorin und Zeichnerin einlassen kann – aber auch jetzt, ein paar Tage später, blättere ich immer wieder durch die Seiten und bereue es, nicht gleich den zweiten Teil gekauft zu haben.

Meine Meinung

Monstress erzählt eine Geschichte, die in ihren Grundzügen oft erzählt wurde: die von einem Mädchen, das kein Monster sein will, das für ihre Andersartigkeit versklavt wurde. Es ist jedoch das ganze „Drumherum“, das diesen Comic so einzigartig macht. Der englische Klappentext beschreibt das Setting als „alternate matriarchal 1900‘s Asia“ – und ich weiß nicht, wie‘s euch geht, aber allein dafür muss man das Werk ein bisschen mehr lieben. Ich bin es nämlich manchmal ziemlich leid, mich andauernd in demselben amerikanischen Setting zu befinden, und überhaupt ist es erfrischend, einen Comic vor sich zu haben, der einen überwiegend weiblichen Cast hat und unglaublich viele Frauen in Machtpositionen abbildet. Darüber hinaus hat Liu auch die Bevölkerung in neue „Arten“ eingeteilt. Neben den Menschen gibt es zum Beispiel die sogenannten Arkanen, aber auch Katzen – ja, ihr habt richtig gehört: sprechende, sarkastische Katzen, die ich als absoluter Katzenmensch natürlich ganz besonders cool fand. Welcher dieser Aspekte man aber auch in den Fokus stellt, eins bleibt: Monstress spricht Probleme an, die uns in unserer Gegenwart begegnen, reproduziert aber nicht die Umstände, in denen diese bestehen.

Was ich eben beschrieben habe, ist allerdings nur die Spitze des Weltenbau-Eisbergs, wenn man es so nennen will: Nicht nur, weil im Comic mehr erklärt wird, sondern vielmehr auch, weil vieles gar nicht oder erst verspätet erklärt wird. Das ist zuweilen frustrierend, insbesondere, weil am Ende von jedem Kapitel eine kleine „Lektion“ integriert ist, die eben die benötigten Hintergründe liefert, aber eben erst im Nachhinein, wisst ihr? Andererseits denkt man beim Lesen selbst um einiges mehr mit, und auch rückblickend habe ich das Gefühl, dass ich doch einen groben Überblick über die Welt erlangt habe. Dieser Kritikpunkt wiegt also für mich nicht sonderlich schwer, insbesondere, da mich Monstress abgesehen davon restlos begeistert hat.

Im Zentrum steht die siebzehnjährige Maika Halbwolf, die zu Beginn der Geschichte als Sklavin verkauft wird. Ihr Weg in die Freiheit ist hart genug, wird aber zusätzlich dadurch erschwert, dass ein weiterer Feind sich in ihr befindet – ein Monster, über das sie keine Kontrolle zu haben scheint. Das, verbunden mit einer nur vage angedeuteten Vergangenheit, versetzt Maika in einen dauerhaften Konflikt mit ihrer Umwelt, aber auch mit sich selbst. Während sie der Frage nachgeht, wodurch man zum Monster wird, kann man als Leser*in nicht anders, als sie irgendwie ins Herz zu schließen.

Begleitet wird sie vor allem von zwei anderen Figuren: Kippa, einem Fuchsmädchen, und der Kater Ren, der so genial ist, dass ich versucht bin, allein für ihn dem Comic fünf Sterne zu geben. Während man Kippa mehr als Reflektorfigur bezeichnen könnte – von dem Krieg, der um Maika herum ausbricht, betroffen, aber verständlicherweise nicht in der Lage, dagegen anzukämpfen –, hat Ren, wie alle anderen Katzen, etwas Undurchschaubares, Hinterlistiges, aber auch Humoristisches an sich, das die Stimmung immer wieder etwas auflockert. Ich könnte ihn also nicht mehr lieben.

Bevor ihr zu Monstress greift, solltet ihr euch allerdings bewusst sein, dass das Buch vor nichts zurückschreckt; neben Darstellungen von Sklaverei gibt es auch graphische Darstellungen von Gewalt und dementsprechenden Mengen Blut. (Ja, auch Gewalt an Tieren.) Monstress ist eine unglaublich düstere Geschichte, in der man lange nach einem Hoffnungsschimmer sucht und nicht anders kann, als zu hoffen, dass die Charaktere sich irgendwie durchbeißen können.

Also, ja, ich bin schwer verliebt in Monstress. Der Zeichenstil setzt der Geschichte und den Charakteren noch das Sahnehäubchen auf – in jedem Panel gibt es ungemein viel zu entdecken, und obwohl die Farben meist düster und gedeckt sind, gibt es einige helle, atemberaubend schöne Unterbrechungen. Eine ganz klare Empfehlung an alle, die Lust haben, sich in einer aufwändigen, liebevoll gestalteten Fantasy-Welt zu verlieren, die die Normen sprengt und zu keinem Zeitpunkt ein Blatt vor den Mund nimmt.

Monstress ⚬ übersetzt von Michael Schuster ⚬ Taschenbuch: 192 Seiten ⚬ Cross Cult ⚬ 16,80€*

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2 Kommentare

  1. Liebe Isabella,
    ich bin durch diese Rezension auf dich gestoßen und kann dir auf jeden Fall zustimmten. Ich habe den Comic gestern Abend beendet und bin beeindruckt von diesem großartigem Zeichen-und Schreibstil. Band 2 ist schon auf der Wunschliste und ich freue mich auf den weiteren Verlauf.

    Liebe Grüße,
    Becca

    1. Liebe Becca,

      schön, dass dich Monstress ebenfalls so sehr begeistern konnte! Es ist wirklich einzigartig, und ich bin gespannt, wie die Geschichte weitergeht.

      Alles Liebe
      Isabella

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