Farbenblind von Trevor Noah

In Farbenblind erzählt Trevor Noah in achtzehn Geschichten von seiner Kindheit in Südafrika, die er teils unter der Apartheid erlebte; das Gefühl, dass er nicht ganz dazugehörte, begleitete ihn allerdings immer, da er eine schwarze Mutter und einen weißen Vater hat.

Meine Meinung

Schon seit Tagen kämpfe ich damit, diese Rezension zu schreiben. Nicht, weil Farbenblind ein schlechtes Buch ist (im Gegenteil), sondern weil ich einfach das Gefühl habe, dass ich es nicht besser formulieren könnte als es das Buch tut. Deshalb gibt es ausnahmsweise einen verfrühten Appell: Lest dieses Buch. Trevor Noahs autobiographische Anekdoten haben es geschafft, mir ein Zeitgefühl aus einem Blickwinkel zu verschaffen, den kein Geschichtsunterricht, kein Sachbuch erfasst.

Bevor ich Farbenblind gelesen habe, wusste ich nichts über Trevor Noah abgesehen von der Tatsache, dass er Comedian ist. Erst hinterher habe ich herausgefunden, dass er The Daily Show leitet, dass seine Geschichte über diese südafrikanische Kindheit hinausgeht. (Mein Fehler, ich weiß.) Doch um all das geht es nicht in Farbenblind, was mir persönlich gut gefiel – es hätte ohnehin den Rahmen des Buches gesprengt, und vermutlich auch nicht thematisch gepasst. Was ich damit sagen will: Ihr müsst kein Vorwissen haben, um dieses Buch zu lesen. Auch wenn ich euch empfehle, ein paar Ausschnitte aus Noahs Show anzugucken – er ist echt gut in dem, was er tut.

Noahs Humor ist definitiv ein Begleiter der achtzehn Geschichten, selbst – oder insbesondere – in Momenten, in denen man eigentlich gar nicht lachen möchte. Es scheint seine Art zu sein, um mit all dem umzugehen, das seine Kindheit umfasste und prägte.

Wir leben in einer Welt, in der wir die Auswirkungen dessen, was wir anderen antun, nicht sehen, weil wir nicht mit ihnen zusammenleben.
Farbenblind, Trevor Noah, Blessing Verlag, S. 258

Unter der Apartheid wurde die Bevölkerung strikt nach Hautfarbe eingeteilt, Beziehungen zwischen Weißen und Schwarzen waren verboten. Dennoch widersetzten sich Leute, wie auch Trevors Mutter (die in so ziemlich allen Lebensbereichen Widerstand leistet und die man einfach dafür lieben muss) und sein Vater, und Trevor wurde geboren. Der englische Titel des Buches heißt Born a Crime, betitelt seine Geburt als das Verbrechen, das es zu diesem Zeitpunkt war. Obwohl er sich selbst als Schwarzer identifizierte, gehörte er nie wirklich dazu, nicht in der Schule, nicht in der Nachbarschaft. Er fing an, die Landessprachen zu lernen, um so irgendwie ein Teil der Gemeinschaft zu werden. Man kann nicht anders, als mit Noah zu sympathisieren. Was bisher, wenn überhaupt, als abstrakter Begriff in der Schule und in Geschichtsbüchern herumgeworfen wurde, hat mit einem Mal ein Gesicht. Vor jedem Aufsatz gibt es einen kürzeren Abschnitt, in denen Noah manchmal geschichtliche Hintergründe erläutert, Informationen und Erklärungen liefert, manchmal pointiertere Anekdoten erzählt.

Wenn man sich bemüht, die Sprache des anderen zu sprechen, selbst wenn es nur ein paar Sätze hier und da sind, sagt man damit: „Ich erkenne eure Kultur an. Ihr habt eine eigene Identität. Ich sehe euch als Mitmenschen.“
Farbenblind, Trevor Noah, Blessing Verlag, S. 275

Vielleicht interpretiere ich zu viel in Farbenblind hinein, aber für mich ist es nicht nur Trevor Noahs Geschichte, sondern auch ein Tribut an seine Mutter. Sie kommt in vielen Geschichten vor – die letzte ist ihr allein gewidmet –, in all ihren rebellischen Facetten, ihr Glaube, ihre Sturköpfigkeit und ihr Optimismus. Man spürt, wie sehr sie ihren Sohn liebt, und wie sehr sie von ihrem Sohn geliebt wird. Eine wirklich beeindruckende Frau; ich bin froh, dass man auch Einblicke in ihre Geschichte erhalten hat.

Ich finde es immer schwierig, Autobiographisches zu kritisieren – man kann ja schlecht die Lebensgeschichte des Autors bzw. der Autorin bemäkeln. Das Einzige, was mich manchmal irritierte, war die Tatsache, dass Noah die Ereignisse nicht in eine chronologische Reihenfolge bringt. Manche Kapitel überspannen einen längeren Zeitraum, andere einen kürzeren oder nur ein einziges Ereignis. Daher kommt es auch manchmal vor, dass Kapitel sich überlappen, dass Noah manches mehrfach erklärt – aber seien wir ehrlich, das tut dem Buch keinen Abbruch. Ich für meinen Teil bin durch die Seiten geflogen, der Schreibstil erlaubte es mir gar nicht anders, und ich war und bin unglaublich dankbar für die Perspektive, die mir dieses Buch eröffnet hat.

Fazit

Ich kann euch Farbenblind nur ans Herz legen – ich konnte von dem Buch unglaublich viel lernen und mitnehmen. Trevor Noahs Kindheit unter der Apartheid und danach ist nicht leicht, aber umso wichtiger zu lesen.

Farbenblind ⚬ übersetzt von Heike Schlatterer ⚬ Hardcover: 336 Seiten ⚬ Blessing Verlag ⚬ 19,99€*

Vielen Dank an den Blessing Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Weitere Meinungen:
Buch und Gewitter


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2 Kommentare

  1. Hach, ich wollte eigentlich gleich in dem Moment, in dem deine Rezension online gegangen ist kommentieren, aber die Uni kam mir zuvor. Dann muss es eben jetzt sein (Es ist 23:26 Uhr.) Ich finde, dass du den Kern des Buches super getroffen hast und deine Zitate sind absolut spitze. Ich habe beim Lesen so viele Dinge bemerkt, die du super ausfomruliert hast, die ich selber in meiner Rezension vermisse. Ich finde, du hast eine tolle Zusammenfassung des Buches gegeben, neue Leser werden mit sehr viel mehr Wissen heran gehen, als ich es getan habe. Noah Trevor war mir zuvor kein Begriff gewesen, ich fand einfach nur den Titel ansprechend, der das Thema Hautfarbe so schön auf die Schippe nimmt. Aber du hast recht, er ist wirklich gut in dem was er tut. Ich bin von seiner Fähigkeit das Gebrabbel von Politikern zu übersetzen fasziniert. Ich habe total vergessen, seine Mutter zu erwähnen, dabei ist sie wirklich in so vielen Dingen wichtig für seinen Werdegang gewesen und ein wahres Vorbild an Unabhängigkeit und Emanzipation. Ich sollte definitiv öfter eine Struktur für meine Rezensionen verfassen. Deine Zitate sind on point, sie geben die Essenz des Buches noch einmal toll wieder. Allgemein habe ich die Kraft eines Zitates bisher ziemich unterschätzt, ich muss viel öfter mit ihnen arbeiten. (Vorrausgesetzt, ich finde Gute. Bisher habe ich nur im „Satz-der-mich-zum-lachen-bringt“-finden Erfolg gehabt.) Ich denke es ist klar geworden, dass ich deine Rezension toll finde, falls nicht: Ich bete deine Rezension an! So. Ich wünsche dir noch einen schönen Sonntag!

    Alles Liebe, Frizzi.

    1. Ich glaube, das ist einer der nettesten Kommentare, den ich jemals gekriegt habe – vielen, vielen Dank für deine lieben Worte! <3 Ich habe dir ja bereits geschrieben, wie gelungen ich deine Rezension finde, und ich stehe da immer noch dahinter; vielleicht habe ich Dinge angesprochen, die du nicht angesprochen hast, aber umgekehrt ist es genauso. Wir lesen das Buch ja letztendlich alle unterschiedlich und setzen somit die Schwerpunkte in der Rezension, und das so zu sehen, finde ich ziemlich grandios!
      Ich liebe es, Zitate einzubinden – leider bin ich mir manchmal zu bequem, sie zu markieren, aber ich bin immer froh, wenn ich passende finde und damit im Idealfall meine Argumente unterstreichen kann. Und witzige Zitate gehen immer. 😀
      Ich würde sagen, dass Trevor Noah eine geniale Entdeckung für uns beide war – hoffentlich geht es noch vielen anderen genauso. Und noch mal vielen Dank für deinen Kommentar!

      Alles Liebe
      Isabella

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