Zugegeben: Die Idee hinter diesem Beitrag ist ein bisschen dubios. Weil ich euch Bücher aus einem Genre empfehlen werde, das ich eigentlich gar nicht so sehr mag – Romance. Nachdem ich nämlich einige Bücher aus dem Genre gelesen habe, an denen ich eigentlich nichts auszusetzen hatte, fiel mir immer noch auf, dass mich die Konventionen des Genres am Ende des Tages einfach nicht sonderlich begeistern konnten. Wenn ich es zynischer ausdrücke, meine ich damit, dass ich zwar in der Regel das Kennenlernen interessant finde, aber meistens spätestens bei dem Drama kurz vor Ende des Buchs, bevor die Charaktere wieder zusammenkommen, schlichtweg mein Interesse verliere. Auch mag ich zwar Beziehungs-Plots, aber die (sinngebende) Gewichtung des Genres kann mich letztlich nicht lange genug bei der Stange halten.
Deshalb ist das, wie gesagt, ein seltsamer Beitrag, und meine Meinungen zu den folgenden zwei Romanen könnt ihr mehr oder weniger ernst nehmen. Gleichzeitig dachte ich mir, dass der Beitrag vielleicht gerade für diejenigen unter euch interessant sein könnte, die ebenfalls mit dem Genre hadern oder einfach mal herausfinden wollen, ob es was für sie sein könnte – denn neben den Genre-Konventionen haben die folgenden Bücher ein paar originelle Twists, die meine Aufmerksamkeit zumindest länger wecken konnten.
Beach Read von Emily Henry
Worum geht‘s?
Um January, eine Romance-Autorin, die seit dem Tod ihres Vaters kein einziges Happy End mehr geschrieben kriegt. Und Augustus, der sich der Belletristik verschrieben hat, aber ebenfalls mit einer Schreibblockade kämpft. Die beide landen in benachbarten Ferienhäusern und schmieden einen Pakt: Augustus lernt von January, Romance zu schreiben, und er zeigt ihr, wie man den nächsten großen amerikanischen Roman verfasst. Was kann dabei schon schiefgehen?
Meine Meinung
Was mir an Beach Read (deutsch: Verliebt in deine schönsten Seiten, Knaur) besonders positiv aufgefallen ist, war, wie viel January und Gus miteinander kommunizieren. Das schließt an den Haaren herbeigezogene Missverständnis-Dramen schon gleich mal von vornherein aus. Beide bringen eine gewisse Menge an emotionalem Gepäck in die sich entwickelnde Beziehung, und Stück für Stück können sie mit ihrem jeweiligen Gegenüber darüber reden und Vergangenes verarbeiten. Das macht die Annäherung zwischen den beiden glaubwürdig, insbesondere, weil Gus durchaus anfangs als der durchschnittliche mysteriöse Typ dargestellt wird, diese Geheimnisse aber nicht als Grund benutzt, um January schlecht zu behandeln wie manch andere Loveinterests, sondern halt einfach darüber redet. Thank goodness.
Ebenfalls toll ist, dass das Schreiben – schließlich sind ja beide Autor*innen – trotz all der romantischen Gefühle nicht in den Hintergrund rückt. Emily Henry gelingt es, den Schreibprozess der Protagonistin auf eine Art und Weise darzustellen, die sich erfrischend realistisch anfühlt – meine zynische Seite hat fast mehr bei dem Erfolg der fiktiven Romanprojekte mitgefiebert als bei der tatsächlichen Beziehung, hehe. Mit der Darstellung des Schreibens geht eine generelle Thematisierung des Literaturmarkts einher, auch durchaus kritische Überlegungen wie warum es auf einmal „Frauenliteratur“ heißt, wenn Belletristik von Frauen geschrieben wird.
Was ich an Beach Read nicht so gerne mochte, lässt sich auf zwei Punkte herunterbrechen: In einem Subplot betrügt ein Charakter einen anderen, was ich persönlich einfach nicht mag und auch nicht gerne lese; und der Dialog war mir stellenweise einfach viel zu kitschig. Abgesehen davon ist das Buch jedoch empfehlenswert und sehr unterhaltsam.
Beach Read ⚬ Taschenbuch: 384 Seiten ⚬ Berkley ⚬ ⚬ mir wurde über Netgalley ein Rezensionsexemplar bereitgestellt
Get a Life, Chloe Brown von Talia Hibbert
Trigger-Warnung: emotionaler Missbrauch
Worum geht‘s?
Um Chloe, die chronisch krank ist und nach einer Nahtoderfahrung beschließt, ihr Leben umzukrempeln. Dazu macht sie sich, wie üblich, eine Liste, die unter anderem eine Fahrt auf einem Motorrad, bedeutungslosen Sex und einen Camping-Trip beinhaltet. Und es geht um Red, der Aufseher in dem Wohngebäude von Chloe ist und damit kämpft, die Spuren, die seine letzte Beziehung bei ihm hinterlassen hat, zu verarbeiten. Obwohl sie sich offiziell nicht wirklich leiden können, führt eins zum anderen und Red soll Chloe bei ihrer Liste (nun, natürlich nicht beim bedeutungslosen Sex) helfen. Wenig überraschend kommen sich die beiden bald näher …
Meine Meinung
Obwohl auch Beach Read auch das ein oder andere schwierige Thema aufgreift, hat es bei weitem nicht dieselbe Schwere wie Get a Life, Chloe Brown (deutsch Kissing Chloe Brown, Ullstein, ET 30.11.). Letzteres hat durchaus seine leichtherzigen, schlichtweg süßen oder auch lustigen Momente, aber gleichzeitig die eine oder andere Szene, bei der mir ganz anders geworden ist. Die oben genannte Trigger-Warnung möchte ich an der Stelle noch mal ausdrücklich betonen – Red durchlebt nicht nur Momente aus seiner alten Beziehung wieder, die von emotionalem Missbrauch dominiert war, sondern wird auch einige Male getriggert und, puh. Einerseits will ich der Autorin dafür applaudieren, wie gut sie das alles beschrieben und behandelt hat, aber gleichzeitig sind die Szenen fast beängstigend realistisch. Es ist umso schöner, dass Therapie in dem Buch durchaus thematisiert wird und gar nicht erst die Idee aufkommt, dass die „richtige“ Liebe alles heilt.
“There‘s a big difference between being a coward and putting your emotional safety first,” he said. He knew all about that.
Talia Hibbert: Get a Life, Chloe Brown
Was Diversität anbetrifft, kann das Buch ohnehin nur punkten – Chloe ist schwarz (die Autorin btw auch), hat Fibromyalgie, eine chronische Schmerzerkrankung, und dann ist da Red mit seinen Traumata. Gerade die ersten beiden Dinge werden nie wirklich groß zum Thema gemacht; Red geht von der ersten Begegnung an sehr sensibel und entgegenkommend mit Chloes Krankheit um, ohne auf sie herabzublicken oder sie gar zu bevormunden. Es fiel mir sehr leicht, die beiden zu shippen – der Dialog ist in dem Roman bei weitem nicht so schwülstig wie bei Beach Read, was meinem verdorrten Herz doch entgegenkommt.
Auch Chloe und Red machen Gebrauch von viel Kommunikation, aber generell war der Plot für Romance-Verhältnisse meiner Meinung nach sehr unaufregend unkonventionell. Der Fokus liegt mehr auf den Charakteren als auf irgendwelchen dramatischen Entwicklungen, was mir persönlich sehr gut gefiel (und was ich auch weitgehend realistischer finde). Gleichzeitig kam gar nicht so stark das Gefühl auf, dass es nur um Red und Chloe geht – beide haben abseits von der Annäherung noch ihre eigenen Leben und Jobs, die zumindest am Rande relevant blieben. Besonders prominent sind dabei Chloes Schwestern, die jeweils noch einen eigenen Roman erhalten sollen.
An Get a Life, Chloe Brown habe ich, ehrlich gesagt, überhaupt nichts auszusetzen. Bei mir ist lediglich der Funken nicht vollkommen übergesprungen – gerade zum Ende hin, als alles auf die Auflösung hinarbeitete, habe ich schlichtweg ein wenig das Interesse verloren. Das war dann auch der Punkt, an dem ich realisierte, dass das Genre wirklich und wahrhaftig nichts für mich ist. Denn wenn mich dieses Buch nicht mitreißen konnte, was denn dann.
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