The Way I Break von Nena Tramountani

Content Warnung (aus dem Buch übernommen; enthält Spoiler)

emotionale Manipulation, Machtmissbrauch, Grooming, sexualisierte Gewalt und Panikattacken


Tori hat alles: einen perfekten Freund, ein Leben in London, sie ist Souschefin in einem der renommiertesten Restaurants der Stadt. Zumindest sieht ihr Leben von außen so aus. In Wahrheit ist ihr Freund auch ihr Chef, zehn Jahre älter als sie und in jeglicher Hinsicht manipulativ. Weil sie keinen anderen Ausweg sieht, flieht sie kurzerhand in die Kleinstadt Goldbridge und arbeitet dort als Kellnerin. Doch Julian, der Sohn der Inhaber, kommt ihrem Geheimnis auf die Schliche – und verspricht, es zu wahren, wenn sie ihm Nachhilfe im Kochen gibt. Allerdings stellen die beiden schnell fest, dass sie auch ohne die Abmachung gerne Zeit miteinander verbringen …

Die Realität von emotionalem Missbrauch?

The Way I Break macht gewiss nicht Halt vor schwierigen Themen. Neben Toris Vergangenheit mit ihrem manipulativen (Ex-)Freund gibt es zum Beispiel eine drogenabhängige Nebenfigur und eine weitere, die nach einer traumatischen Erfahrung nicht mehr spricht. Nicht nur in der Hinsicht bricht es mit den gewohnten Erwartungen an New Adult-Romane. Queere sowie nicht-binäre Figuren (mit they/them-Pronomen im Text) gehören unkommentiert dazu. Noch dazu setzt sich Tori durch den Kontakt mit Darcy, Julians bester Freundin, verstärkt mit body neutrality auseinander. Auf der Oberfläche, könnte man also festhalten, klingt The Way I Break vielversprechend. Aber wie ist es mit der Umsetzung?

An erster Stelle sollte ich vielleicht disclaimern, dass ich natürlich nicht die ultimative Entscheidungsinstanz für die Behandlung der oben genannten Themen bin und maximal Toris Geschichte bis zu einem gewissen Grad aufgrund eigener Erfahrungen nachempfinden kann. Auch will ich nicht der Autorin irgendetwas absprechen (das Nachwort deutet zumindest an, dass persönliche Motivationen hinter dem Roman stecken), und erst recht nicht Leser*innen, die sich in der Geschichte aufgehoben fühlen. Dennoch konnte ich bei der Lektüre von The Way I Break nicht das Gefühl abschütteln, dass manche Themen so selten in Geschichten repräsentiert sind, dass man geradezu jede Art der Repräsentation hinnimmt. Was auch nicht heißen soll, dass ich finde, dass die Schilderung einer emotional missbräuchlichen Beziehung und ihrer Folgen – ich werde mich im Folgenden darauf beschränken – vollkommen misslungen ist. Aber wirklich richtig fühlte es sich auch nicht an.

Es war die schwerste Sache auf der Welt gewesen. Bis ich den letzten Schritt gegangen war. Und plötzlich wurde sie zur einfachsten.

Nena Tramountani: The Way I Break. München 2022, S. 16.

Zuallererst muss ich gestehen, dass ich bereits bei der Prämisse skeptisch war: Tori kommt gerade aus einer ungemein vereinnahmenden Beziehung und stolpert direkt in eine neue Liebe, die – dem New Adult-Genre gemäß – sich über einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum intensiv entwickelt. Nicht, dass ihr nicht zusteht, bedingungslos geliebt zu werden. Oder dass Menschen wie Tori ein Sabbatjahr einlegen müssen und in der Zeit nicht einmal eine*n potenzielle*n romantische*n Partner*in angucken dürfen. Aber angesichts des Ausmaß der traumatischen Erfahrungen in ihrer Vergangenheit (auch über ihre letzte Beziehung hinausgehend) hatte ich beim Lesen den Eindruck, dass ihr nicht nur etwas Zeit für sich, sondern vielleicht auch eine emotionale Verarbeitung ihrer Vergangenheit in einem anderen – therapeutischen – Kontext statt mit ihrem neuen Partner guttun würde.

Diese Problematik wird meiner Meinung nach dadurch verschärft, dass Julian explizit als jemand gezeichnet ist, dessen Kernkonflikt es ist, dass er sich immer um andere Menschen kümmert, anstatt auf sich selbst zu achten. Um Tori ein sicheres Gefühl zu vermitteln, geht er von Anfang an immense Kompromisse ein, stellt seine Bedürfnisse zurück beziehungsweise artikuliert sie gar nicht erst. Er ordnet sich nicht nur immer wieder unter, sondern leidet durch seine intensive Nähe zu Tori unter ihrem Zustand.

Unperfekte und zu perfekte Figuren

Ich habe ein bisschen gezögert, die oben angeführten Gedanken zu schreiben, weil es mir ein seltsames Gefühl gibt, fiktive Figuren zu psychologisieren. Ich will auf keinen Fall die Bedeutsamkeit von The Way I Break herunterspielen oder Fiktion absprechen, auch Figuren zu erschaffen, die sich nicht mustergültig verhalten. (Sonst wäre die Welt voller langweiliger Bücher.) Aber durch die Konventionen des New Adult-Genres, das nicht nur romantische und sexuelle Entwicklungen erforderlich macht, sondern sie vordergründig behandelt, wurden für mich die Schwierigkeiten von Julian und Tori manchmal zu schnell unter einen Romantik-Teppich gekehrt.

„Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben verliebt, Dad. So richtig unerträglich heftig. So wie ich es mir immer gewünscht habe. Und weißt du, ich war vorbereitet. Ich wusste, dass es wehtun kann. Aber ich wusste nicht, wie man zerbricht, wenn man diesem Menschen, diesem einen Menschen, der einen so unfassbar glücklich macht, nicht helfen kann.“

Nena Tramountani: The Way I Break. München 2022, S. 398.

Aus diesem Grund stolperte ich immer wieder über grandiose Liebeserklärungen oder andere pathetische Aussagen (und darüber, dass die Figuren in enorm vielen Dialogen ‚flüstern‘ oder ‚wispern‘, was ich mir einfach nicht vorstellen kann). Aber mir begegnete auch das absolute Gegenteil davon: geradezu sachbuchartig anmutende Erklärungen über emotional missbräuchliche Beziehungen. Diese Erklärungen stammen von Darcy, Julians bester Freundin, die sich das Wissen mittels Aufklärungsworkshops, die ihre Eltern leiten, angeeignet hat. Es gibt mehrere Szenen, in denen sie auf Toris Trauma mit geradezu therapeutisch anmutenden Erklärungen reagiert, die als absolutes Gegenteil von Julians Reaktionen schon wieder fast zu klinisch anmuteten und sich nicht natürlich in den Textfluss einfügten. Ich hätte es schöner gefunden, wenn der Roman versucht hätte, eine Balance zwischen diesen beiden Polen zu finden.

Versteht mich nicht falsch: Trotz dieser ausführlichen Kritik bin ich froh, dass es The Way I Break gibt, weil es ein Schritt in die richtige Richtung ist und hoffentlich den Weg für mehr und bessere Repräsentationen von (emotional) missbräuchlichen Beziehungen ebnet. Und ich will auch gar nicht leugnen, dass mich Toris und Julians Geschichte in den Bann gezogen hat und ich die knapp 500 Seiten verschlungen habe. Auch wenn ich Toris Geschichte vielleicht anders erzählt hätte, gab es definitiv die eine oder die andere Stelle, an der ich aus dem Nicken kaum herauskam. Man will ja doch das Beste für die Figuren – auch wenn sich das nicht mit den eigenen Vorstellungen deckt.

Ob ich die Reihe weiterlesen werde? Ich bin zwiegespalten. Auf der einen Seite habe ich festes Vertrauen darin, dass Nena Tramountani mich auch ein zweites Mal fesseln könnte. Und ich finde es sehr schön, dass die Reihe sich jeweils einen Bruder vornimmt. Auf der anderen Seite scheint zumindest der zweite Band nicht leichtere Lektüre zu werden – es soll um Alexis und Echo gehen. Letztere ist die oben erwähnte Nebenfigur, die zwischen Entzügen und Drogenabhängigkeit oszilliert, er die Figur, die nicht mehr spricht. Auch wenn ich neugierig bin, würde das vielleicht den Grundkonflikt, den ich mit The Way I Break hatte, wiederholen. Vielleicht behalte ich dann lieber die wertvollen Lektionen, die dieser Band beinhaltete, in bester Erinnerung: dass man immer neu anfangen und eine Familie finden kann, die nicht von Biologie abhängig ist. Dass es selbst in den dunkelsten Zeiten Menschen gibt, die einen bedingungslos lieben – und dass das ein wunderbares, wohlverdientes Geschenk ist.

Fazit

The Way I Break hebt sich auf jeden Fall von anderen New Adult-Büchern ab, indem es Themen wie emotionalen Missbrauch in Beziehungen aufgreift. Julian und Tori gehen erfrischend kommunikativ miteinander um. Auch wenn ich mich über die Repräsentation gefreut habe, fand ich die Umsetzung nicht verbesserungswürdig und konnte leider nicht so sehr mit den Figuren mitfiebern, wie ich es gern getan hätte.

The Way I Break ⚬ Klappenbroschur: 496 Seiten ⚬ Band 1/3 (unabhängig voneinander lesbar) ⚬ Penguin Verlag ⚬ 13€ ⚬

Vielen Dank an den Penguin Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

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3 Kommentare

  1. Hallo!

    Ich komme endlich dazu, dir einen Kommentar zu dieser Rezension dazulassen, besonders nachdem ich das Buch auf deinen Radar gesetzt habe. ^^’
    Es freut mich sehr, dass du es schlussendlich gelesen hast und ein paar positive Aspekte im Buch finden konntest, ich schätze deine ehrliche Rezension dazu sehr.
    Gerade zum Ende des Buches kann ich dein Unwohlsein nachvollziehen, so ging es mir in Bezug auf Julian nämlich auch. Es kam mir komisch vor, dass er sich so oft hintenan stellte und war mir unangenehm, warum genau konnte ich aber zu dem Zeitpunkt nicht formulieren. Deine Rezension hat mir das sehr erleichtert und ich finde viele deiner Anmerkungen richtig und wichtig. Mit ein paar Wochen Abstand zur Emotionalität der Handlung und Darstellung, kann ich dir definitiv zustimmen, dass nicht alles gut gelöst wurde, gerade mit dem Gedanken im Kopf, wie sehr Therapie mir selbst hilft und dass das definitiv noch stärker thematisiert werden sollte. In diesem Buch wie in anderen Büchern allgemein.
    Ich habe mich in Tori sehr stark wiedergefunden – auch wenn ich keineswegs ähnliche Erfahrungen wie sie gemacht habe; es fällt mir schwer nicht gleich alles zu verteidigen was sie macht. Aber wie gesagt, du hast eine gute Balance zwischen Kritik und Respekt gefunden und ich hoffe ebenfalls sehr, dass es in den nächsten Jahren noch mehr Bücher geben wird, die diese Themen anpacken und noch besser thematisieren.
    Auch wenn ich ebenfalls viel Respekt und Sorge vor Band 2 habe, werde ich ihn lesen (allein deshalb schon, weil er bereits in meinem Regal steht), aber auch, weil ich denke, dass Nena Tramountani uns noch ein bisschen mehr am Leben der Figuren der anderen Bände teilhaben lassen wird, vielleicht kommt da ja zumindest nachträglich noch eine therapeutische Aufarbeitung ins Spiel. Gerade bei Alexis fände ich Therapie wirklich wichtig und bei Echo kann ich mir eine Genesung eigentlich nicht ohne Therapie vorstellen. Aber das muss ich dann wohl beim Lesen rausfinden.

    So, und jetzt muss ich noch ein bisschen in deinen aktuellen Beiträgen stöbern, ich war schon viel zu lange nicht mehr ordentlich auf anderen Blogs unterwegs.
    Und ich habe schon viel zu lange keinen Kommentar mehr geschrieben, merke ich gerade, es fühlt sich sehr komisch und hölzern an, was ich hier tippe, ich hoffe es liest sich nicht zu schlimm.

    Alles Liebe
    Friederike.

    1. Liebe Friederike,

      vielen Dank für deinen Kommentar! Ich hab beim Schreiben der Rezension echt mit der Wortwahl gehadert, deshalb bin ich froh, dass sie bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar war und es dir zum Ende hin ähnlich ging. Ich hab irgendwie nur uneingeschränkt positive oder negative Rezensionen zu dem Buch gelesen und den Raum dazwischen zu beschreiben, ist irgendwie immer ein schwieriger Akt.

      Ich bin dennoch sehr froh, dass ich das Buch auf deine Empfehlung hin gelesen hab – deine Begeisterung war total ansteckend, und ich kann auch gut verstehen, dass das Buch einfach viel mit den eigenen Emotionen beim Lesen macht (ging mir ganz genauso). Und auch wenn ich zumindest aktuell nicht weiterlesen werde, bin ich ganz gespannt, was du zu Band 2 und der Umsetzung der Themen berichten wirst. 🙂

      Also noch mal: vielen Dank, dass du die eingerostete Kommentar-Funktion zum Leben erweckt hast 😀 Und eine Frage am Rande – wirst du auf der FBM sein?

      Alles Liebe
      Isabella

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