Das Lied des Propheten von Paul Lynch

Wenn man an Dystopien denkt, dann kommen einem sofort die großen Werke des 20. Jahrhunderts in den Sinn: Zamjatins Wir, Huxleys Brave New World oder Orwells Nineteen Eighty-Four. Wir denken an Protagonisten, die kein anderes Leben als das Regime kennen, und an Handlungsstränge des – mehr oder weniger erfolgreichen – Widerstands. Autor*innen, die sich in die Gattung einschreiben, müssen sich nicht nur mit wirkmächtiger Literaturgeschichte auseinandersetzen, sondern dabei eine eigene Position zwischen den bekannten Mustern und dem Reiz des Neuen finden.

Für mich ist das die stärkste Leistung von Das Lied des Propheten: dass der Roman nicht seine Leser*innen mit einem geschlossenen System konfrontiert, sondern am bröckelnden Alltag ansetzt. Geschildert wird ein schleichender Prozess von unterdrückten Aufständen über Verhören hin zu immer restriktiveren Auflagen, die schließlich in Ausgangssperren, Festnahmen, kurzum: Krieg münden. Es ist leicht, im Rückblick zu sagen: Natürlich musste es so enden. Schwieriger, und das gelingt Lynch sehr gut, ist es, wenn die Verwirrungen der Gegenwart immer diffuser werden, bis man nicht mehr weiß: Was ist geschehen? Und wie bin ich hier gelandet?

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Mon Chéri und unsere demolierten Seelen von Verena Roßbacher

Charly Benz ist Anfang 40, single, arbeitet seit über einem Jahrzehnt in der Marketing-Abteilung eines Berliner Start-ups und ernährt sich vorrangig von Zigaretten und verkohlten Croissants. Ihre engste Bezugsperson ist Herr Schabowski, dem sie monatlich Geld zahlt, damit er ihre Post öffnet und sich nebenbei ihre Sorgen anhört. Doch dann lässt sich Charly breitschlagen, zu einer Familienaufstellung zu gehen, und mit einem Mal ist da viel Zeug, das sie eigentlich hinter sich lassen wollte, und neuer Trubel in Form von drei Männern …

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Die drei Leben der Hannah Arendt von Ken Krimstein

Das mit Arendt und mir war purer Zufall: Letztes Semester hatte ich ein Seminar, das sich mit Repräsentationen des Bösen auseinandersetzte, und für eine Stunde hatte der Dozent ein Kapitel aus Arendts Elementen und Ursprüngen totaler Herrschaft (1951; dt. 1955) vorgesehen. Der Text beeindruckte mich ungemein – die Präzision, mit der sie schrieb, die Aktualität ihrer Worte -, und noch vor Ende des Semesters hatte ich Die Freiheit, frei zu sein (ca. 1963; dt. 2018 posth.) gelesen und Über das Böse (1965; dt. 2006 posth.) noch dazu. Arendt ließ mich nicht mehr los. Egal, was ich von ihr las, ich war immer wieder auf ein Neues überrascht, wie zugänglich ihre Worte doch waren. Dass sie sich nicht in Abstraktionen verloren, sondern ich tatsächlich etwas für meine Gegenwart daraus gewinnen konnte.

Lange Rede, kurzer Sinn: Als ich hörte, dass dtv eine Graphic Novel zu Hannah Arendt publizieren würde, war ich ziemlich aus dem Häuschen.

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Kurzrezensionen #13: Stimmungsgeschichten

Nach der Klausurenphase herrschte bei mir ziemlicher Leerlauf im Kopf, was heißen soll, dass ich zu nichts anderem in der Lage war, als Bücher zu lesen und im Bett zu liegen (manchmal beides zusammen). Gerade anfangs zog es mich zu kompakteren Büchern, die ich schnell verschlingen konnte – und da ich mich nicht dazu aufraffen konnte, zu bloggen (das ist mir in den sechs Jahren auch noch nicht passiert), dachte ich mir, es ist mal wieder Zeit für ‚ne Runde Kurzrezensionen. Und zwar nach dem Motto „Wenn du Lust auf __ hast, kann ich dir __ empfehlen“. Auf geht‘s!

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Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie von Lauren Oliver (+ Filmvergleich!)


Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie sahnt nicht nur den Preis für den sperrigsten deutschen Titel aller Zeiten ab, sondern gehört auch zu den Büchern, die schon seit Jahren in aller Munde sind. Als ich das Buch gewann und darüber hinaus der Film bei Amazon Prime verfügbar war, wertete ich das als Zeichen. Ich wusste nicht recht, was mich erwarten würde, und vielleicht war das auch gut so – hätte ich höhere Erwartungen gehabt, wären diese nämlich enttäuscht gewesen.

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