Mon Chéri und unsere demolierten Seelen von Verena Roßbacher

Charly Benz ist Anfang 40, single, arbeitet seit über einem Jahrzehnt in der Marketing-Abteilung eines Berliner Start-ups und ernährt sich vorrangig von Zigaretten und verkohlten Croissants. Ihre engste Bezugsperson ist Herr Schabowski, dem sie monatlich Geld zahlt, damit er ihre Post öffnet und sich nebenbei ihre Sorgen anhört. Doch dann lässt sich Charly breitschlagen, zu einer Familienaufstellung zu gehen, und mit einem Mal ist da viel Zeug, das sie eigentlich hinter sich lassen wollte, und neuer Trubel in Form von drei Männern …

Weiterlesen

Die Erfindung der Hausfrau: Geschichte einer Entwertung von Evke Rulffes

In Die Erfindung der Hausfrau zeichnet Evke Rulffes die Entwicklung von der Hausmutter zur Hausfrau, „von der Herrin im Haus zur Dienerin am Mann“ (Klappentext), nach und arbeitet sich, ausgehend von der Verdrängung der Frauen aus den mittelalterlichen Zünften, in die Gegenwart vor. Ihr Anliegen ist es, bei allem historischen Wandel Konstanten und Muster aufzuzeigen, die uns auch heute noch begegnen. Dass es sich bei dem Buch jedoch um ein „Plädoyer für mehr Gerechtigkeit und Wertschätzung von Care- und Hausarbeit“ handele, wie es auf der Website des Verlags heißt (und wie auch im Buch behauptet), hat zumindest bei mir falsche Erwartungen geweckt. Denn gewiss zeigt Rulffes auf, dass Care- und Hausarbeit eigentlich zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise wertgeschätzt wurden – ein ausführlicheres, gegenwartsbezogenes Plädoyer findet sich allerdings nur auf den letzten Seiten des Buchs, und es taucht geradezu irritierend abrupt auf.

Weiterlesen

Averno von Louise Glück

Wie spricht – oder schreibt – man über Lyrik? Man kann sich über die Form an den Inhalt herantasten; kann Themen identifizieren und ihre (Dis-)Kontinuität beschreiben; oder aber man wählt einen subjektiven Zugang, wie habe ich mich bei der Lektüre gefühlt?
Bei Louise Glücks Averno (2006; dt. 2007) wollte nichts von alldem so recht funktionieren. Macht nichts, dachte ich mir: Oft genug bin ich schon Texten begegnet, die sich mir nicht auf einen ersten oder zweiten Blick erschlossen haben. Abhilfe schuf meist, über die Texte zu lesen, sich über die Interpretationen anderer Stück für Stück einen Zugang zu erarbeiten. Oder wenigstens dabei zu erkennen, wieso sie von anderen geschätzt werden.

Weiterlesen

Faszination Margaret Atwood

Atwoods Werk ist riesig, und ich habe nur einen Bruchteil davon – wahrscheinlich weitaus weniger als viele von euch – gelesen. Dennoch möchte ich diesen Beitrag nutzen, um euch vier ihrer (durchaus kanonischsten) Werke vorzustellen und näherzubringen, was hoffentlich gerade für diejenigen, die sich schon immer mal an das ‚Großprojekt Atwood‘ wagen wollten und nicht wussten, wo anfangen, hilfreich sein kann. Die folgenden Werke sind sehr unterschiedlich und weisen doch auffällige Kontinuitäten auf: Immer wieder stolpert man in Atwoods Texten über das Verhältnis von Mensch, Natur und Geschlecht, und stets formuliert sie ihre Beobachtungen mit einer aufgeladenen Scharfzüngigkeit und einem heimlichen Augenzwinkern.

Weiterlesen