Noch ein Jahresrückblick: Tschüss, 2020!

Ich bin froh, dass ich mir für 2020 nichts Großartiges vorgenommen hatte außer mich um meine Gesundheit zu kümmern und den Blog weniger stiefmütterlich zu behandeln. Ersteres hat natürlich in Anbetracht des Jahres einen ironischen Beiklang, ist mir aber zum Glück gut gelungen. Gemessen daran, dass 2020 eine kollektive schlechte Erfahrung war, war mein 2020 vor allem anfangs herausfordernd und wurde im Laufe des Jahres immer besser: Ich hab mein Bachelorstudium abgeschlossen, mich mit mir selbst auseinandergesetzt und vor allem gelernt, mich auf mich selbst zu verlassen. Über die Weihnachtsfeiertage hinweg habe ich sogar wieder mit dem Schreiben angefangen. Wenn ich nicht zu viel über den generellen Zustand der Welt nachdenke oder in irgendwelchen Schlagzeilen-Löchern verschwinde, komme ich meistens halbwegs zurecht, ohne zur Misanthropin auszuarten.

Was den Blog anbetrifft, habe ich ihn immerhin mit mehr Beiträgen bestückt als im Vorjahr, aber da besteht für mich definitiv noch Luft nach oben. Ich wollte vor allem auch ein paar anspruchsvollere Beiträge schreiben, was grandios gescheitert ist – ich hatte ein paar Wochen an einem Margaret Atwood-Beitrag gearbeitet, der zu 80% fertig ist und jetzt seit Monaten in meinen Entwürfen verstaubt. Mein Instagram-Account ist ähnlich verstaubt, und den Austausch mit anderen Blogger:innen kann ich definitiv auch noch verbessern. Generell will ich in 2021 mehr Blogs lesen, weil ich davon überzeugt bin, dass man nichts schreiben kann, wovon man nicht auch hin und wieder was liest. Zu meinen liebsten Beiträgen, die ich 2020 geschrieben habe, gehören meine Rezensionen zu Nix passiert (auch wenn ich meine Stadt-Land-Vorträge schon fast selbst satt habe), The Ballad of Songbirds and Snakes und Normal People, die als Gespräch mit einem Freund konzipiert ist.

Mein Lesejahr 2020

Mein Leseziele für 2020 waren nicht sonderlich ambitioniert: Ich wollte 50 Bücher lesen (wie jedes Jahr), nicht mehr Bücher kaufen als lesen und Bücher ausmisten. Letztlich habe ich 62 Bücher gelesen, also etwas mehr als 2019, wobei die Bücher im Schnitt 331 Seiten lang waren, ich habe also tendenziell zu kürzeren Büchern gegriffen. Es haben sich darüber hinaus 45 Neuzugänge angesammelt (vs. 74 in 2019 … let‘s not talk about that) und ich habe etwa 30 Bücher aussortiert. Meine Bücherregale sind also summa summarum nur minimal voller geworden, gefühlt platzen sie natürlich noch immer aus allen Nähten. ¯\_(ツ)_/¯

Die 62 gelesenen Bücher habe ich durchschnittlich mit 3,35 Sternen bewertet, was mein niedrigster Schnitt seit Jahren, wenn nicht sogar jemals ist. Im Vorjahr waren es noch durchschnittlich 3,7 Sterne, obwohl ich das Gefühl habe, dass ich in 2020 eigentlich mehr gute Bücher für mich entdeckt habe. Im Vergleich mit 2019 zeigt sich, dass ich 2020 mehr 4- und 5-Sterne-Bücher, leider aber auch mehr 1- und 2-Sterne-Bücher gelesen habe. Darüber hinaus will ich mir natürlich auch einreden, dass ich einfach strenger und konsequenter bei der Bewertung geworden bin.

Was die gelesenen Genres anbetrifft, bin ich nicht sonderlich überrascht, aber fühle mich positiv bestätigt, wenn das Sinn macht? (Selbstverständlich ist „Genre“ hier maximal weit gefasst und dient ausschließlich der Vereinfachung.) Ich habe etwas weniger Belletristik gelesen als im Vorjahr, dafür etwas mehr Young Adult-Romane. Es gilt nach wie vor, dass Young Adult für mich längst nicht mehr so viel Raum einnimmt wie früher, aber gleichzeitig konnte ich meine Freude daran wiedergewinnen und habe auch immer mal wieder Lust, danach zu greifen. Auf der anderen Seite fühle ich mich in der Belletristik zunehmend wohler und kriege langsam ein besseres Gefühl dafür, was mir gefallen könnte. (Die graue Spalte im Diagramm ist Middle Grade mit 1,6%.)

In 2020 habe ich zum Glück wieder wesentlich mehr auf Englisch gelesen (es waren nur 37,5% im Vorjahr) und generell die Zahl der Bücher, die ich in der Übersetzung gelesen habe, reduziert. Das möchte ich auf jeden Fall so beibehalten – gerade jetzt, wo ich nicht mehr Englisch studiere, ist es mir wichtig, die Sprache so gut wie möglich präsent zu halten. Am liebsten würde ich in 2021 auch mein Französisch wieder aus den Tiefen meines Gedächtnisses ausgraben und vielleicht sogar ein (sehr, sehr leichtes) Buch auf Französisch lesen, aber ich lehne mich an dieser Stelle besser nicht zu weit aus dem Fenster. Widmen wir uns lieber den Büchern, die mir aus dem letzten Jahr nachhaltig im Gedächtnis geblieben sind.

Lese-Highlights

1. The Falling in Love Montage von Ciara Smyth ist ein großartiges Jugendbuch, das es schafft, klassische RomCom-Tropes aufzugreifen und kritisch zu diskutieren, ernste Themen zu behandeln und gleichzeitig eine der süßesten queeren Liebesgeschichten überhaupt zu erzählen.

2. Mit Ninth House hat Leigh Bardugo bewiesen, dass sie auch abseits von Young Adult und dem Grisha-Universum großartige, originelle Romane schreiben kann. Ninth House wird stellenweise wirklich ungemein düster und sollte nicht unterschätzt werden, aber die Grausamkeit passt zu den moralischen Abgründen der Welt, die Bardugo zeichnet. Sämtlichen Figuren haucht sie mühelos komplexe Leben ein.

3. Nachdem mich Normal People nicht vollkommen umgehauen hatte, habe ich Sally Rooneys Debüt Conversations with Friends so sehr geliebt, dass ich es gleich zweimal gelesen habe. Obwohl es in der Ich-Perspektive erzählt wird, erhält man hier einen besseren Einblick in die Figuren, und überhaupt finde ich Frances als Erzählerin ungemein spannend. Das Buch hat bei mir einfach einen Nerv getroffen.

4. Einen Nerv getroffen hatte auch Nix passiert von Katrin Weßling. An einer augenscheinlich einfachen Geschichte – Alex wird von seiner Freundin verlassen und zieht von der Stadt zurück aufs Dorf – spielt Weßling Themen wie Männlichkeitskonzepte, Stadt-Land-Dualismen und psychische Gesundheit durch und kombiniert das gelungen mit einem schlichten, aber dadurch umso pointierteren Schreibstil.

5. The Serpent King von Jeff Zentner ist zweifellos das Buch, das mich im letzten Jahr zum Weinen gebracht hat wie kein anderes. Wer also sein Herz gebrochen haben möchte, sollte nach diesem Jugendbuch greifen, das sich nicht nur auf eine Freundesgruppe konzentriert und sich intensiv mit Religion auseinandersetzt, sondern auch generell eines der härtesten und ehrlichsten Jugendbücher ist, das ich jemals gelesen habe.

6. Dass ich Was man von hier aus sehen kann von Mariana Leky absolut geliebt habe, ist wenig überraschend, schließlich wird das Buch seit über drei Jahren in allen Ecken und Enden des Internets in den Himmel gelobt. Und zurecht: Leky hat es geschafft, ein Buch zu schreiben, das unterschiedlichsten Leser:innen zusagt, mit ungemein liebenswürdigen Figuren besticht, generell eine herzensgute Atmosphäre aufweist und einem gleichzeitig mehrmals das Herz bricht. Nach The Serpent King ist es das Buch, bei dem ich am meisten geweint habe, wenn euer bevorzugtes Lesekriterium Katharsis-durch-Weinen ist.

Ziele für 2021

Meine Leseziele für 2021 sind, wie immer, recht überschaubar: Ich möchte fünfzig Bücher lesen und nicht mehr Bücher kaufen als lesen. Da ich tatsächlich mich schon mehrmals dabei erwischt habe, Bücher von meinem SuB zu lesen anstatt neue zu kaufen (!! shocking, I know), bin ich da halbwegs optimistisch. Ich möchte allerdings darauf achten, mein Gelesenes etwas zu diversifizieren, heißt: mehr nicht-deutsch- bzw. englischsprachige Literatur und mehr non-fiction zu lesen und darauf achten, ein breiteres Spektrum an queerer Repräsentation abzudecken.

Gleichzeitig gelobe ich auch wie jedes Jahr, den Blog halbwegs regelmäßig zu pflegen und hoffentlich den einen oder anderen etwas besser recherchierten Beitrag vorzubereiten. Ebenfalls will ich es ausnutzen, dass meine Schreiblust zurückgekehrt ist, und entweder ein neues Projekt schreiben oder eins gründlich überarbeiten. Das ist aber absolut davon abhängig, wie viel Zeit ich auf meine Schach-App verschwende (The Queen‘s Gambit hat mich zu stark beeinflusst), und ob meine Konzentrationsfähigkeit sich zwischen all den TikToks überhaupt noch erholen kann. So oder so, ich werd‘s herausfinden.

Ich hoffe, ihr habt es alles halbwegs gut nach 2021 geschafft und könnt euch wenigstens für die eine oder andere Stunde in Bücher flüchten. Wie war euer Lesejahr 2020? 👩🏼‍💻

Du magst vielleicht auch

10 Kommentare

  1. Hahaha, davon ein sehr leichtes französisches Buch zu lesen (am besten eine Graphic Novel!) träume ich auch immer wieder. Hoffentlich fruchtet der Vorsatz bei dir besser als bei mir xD

    Ich hoffe außerdem, dass dein Blog uns auch dieses Jahr mit dem ein oder anderen Beitrag erhalten bleibt. Freue mich immer sehr über neue Posts bei dir. Manchmal überlege ich auch daran aufwendigere Sachen zu recherchieren bzw. zu schreiben, aber so richtig konnte ich mich dazu noch nicht überwinden, auch weil ich merke, dass mich das auf anderen Blogs zwar interessiert, ich es dann aber doch nie ganz lese. So ein Mittelding wäre (für meinen Geschmack) wahrscheinlich gut, tiefgründig, aber kompakt ;D

    1. Uff, ich bin auch noch nicht so optimistisch diesbezüglich – das Einzige, was ich bisher zu lesen versucht hatte, war der französische Wikipedia-Artikel zu Proust 😀 Aber es ist eigentlich eine richtig gute Idee, mit einer Graphic Novel einzusteigen, schauen wir mal.
      Vielen lieben Dank für dein Feedback zum Blog! Solche Mitteldinge lese ich eigentlich auch am liebsten auf anderen Blogs (für längere Artikel fehlt mir leider zu oft die Konzentration), deshalb werde ich mir das definitiv zu Herzen nehmen. 🙂

  2. Hey Isabella,

    herzlichen Glückwunsch zum abgeschlossenen Bachelorstudium! 🙂

    Schade, dass dein Schnitt vergleichsweise schlecht war, ich drücke dir auf jeden Fall die Daumen, dass 2021 mehr tolle Bücher für dich bereit hält und dass du deine Ziele erreichst – in denen ich mich übrigens auch wiederfinde, von daher hoffe ich mal, bei dir den ein oder anderen Lesetipp zu entdecken. 🙂
    „Ninth House“ steht übrigens bei mir noch auf meiner Wunschliste. ^^

    Ich bin mit meinem Lesejahr 2020 ziemlich zufrieden, ich habe mehr Bücher gelesen als erwartet und irgendwie waren erstaunlich viele Highlights dabei. 🙂

    Liebe Grüße
    Dana

  3. Hallöchen,
    zuerst einmal möchte ich loswerden, dass ich deinen Jahresrückblick ganz toll finde. Generell lese ich deine Beiträge echt gerne 🙂 Aber mir geht‘s da ein bisschen wie dir. Das Lesen anderer Blogs habe ich in letzter Zeit ein klein wenig vernachlässigt.

    Auch bei den Bewertungen geht es mir wie dir. Mein Durchschnitt liegt 2020 bei 3,1 Sternen. Was ich echt erschreckend finde. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, kann ich mich auch an kaum was erinnern bis auf die Highlights. Also scheint dieser Durchschnitt irgendwie zurecht so niedrig zu sein. 2020 war für mich aber auch ein echt schwieriges Lesejahr.

    Hach ja, wie oft ich „Ninth House“ jetzt schon im Warenkorb hatte. Vielleicht sollte ich doch einfach mal auf bestellen klicken.

    Also nochmal: toller Rückblick 🙂
    Liebste Grüße, Kate

    1. Liebe Kate,

      vielen Dank für diesen lieben Kommentar! Es freut mich total, dass diese Beiträge nicht nur für mich interessant sind, hihi. 😀

      Ja, mir geht es da ähnlich – so richtig viel ist mir nicht im Gedächtnis geblieben. :/ Aber mit diesem Durchschnitt kann 2021 eigentlich nur besser werden, oder? Und falls du zu „Ninth House“ greifen solltest, lass mich unbedingt wissen, wie es dir gefällt!

      Ich hoffe, du bist gut ins (mittlerweile nicht mehr allzu) neue Jahr gestartet!

      Alles Liebe
      Isabella

  4. Daran, dass ich deinen Jahresrückblick erst im Februar lese merke ich auch mal wieder, dass ich viel zu wenig auf anderen Blogs stöbere. Das ist etwas, das ich die letzten Jahre genauso vernachlässigt habe, wie Beiträge für meinen eigenen zu schreiben. Beides etwas, das ich dieses Jahr wieder angehen möchte, weil mir gerade wieder der Gedanke gefällt, dass Blogs langlebiger sind als Instagram. Zwar mag ich den schnellen Austausch da sehr, aber man ist auch so schnell über alles hinweg, weil so viel Neues kommt. Ich bin gerade seltsam motiviert zu Bloggen und nutze den Moment, ich habe nämlich wie du auch etliche halb geschriebene Beiträge in der Schublade.

    Deinen Jahresrückblick fand ich – wie eigentlich alles von dir – toll zu lesen, ich mag die Diagramme total. Benutze ich ja selbst auch gerne, finde die immer sehr spannend, ich liebe sowas einfach 😀

    Was deine Highlights angeht kann ich dir bei The Falling in Love Montage und Ninth House total zustimmen, die mochte ich beide auch richtig gerne, auch wenn sie mich glaube ich nicht so umgehauen haben wie du 😀
    Dass du Conversation mit Friends so gut fandest finde ich irgendwie ganz witzig, weil ich das Gefühl habe meist ist es andersherum; die meisten mögen CwF nicht so und lieben Normal People. Ich fand beide Bücher okay, habe aber auch das Gefühl sie nicht ganz verstanden zu haben und möchte sie dieses Jahr gerne nochmal lesen.

    Alles Liebe,
    Katharina

    1. Wie man sieht, bin ich mal wieder spät dran mit Kommentieren, und mit geschriebenen Blogbeiträgen läuft es dieses Jahr schon wieder mau. 😅 Aber ja, ich verstehe, was du meinst – die Hemmschwelle, Content für Instagram aufzubereiten, ist einfach geringer. Aber du bist ja blogtechnisch diesen Monat ja schon wesentlich produktiver gewesen, davon kann ich mir noch eine Scheibe abschneiden! ☺️
      Diagramme sind einfach toll, vllt. kann man damit auch mal experimentieren und ein Review-Format drausmachen? 🤔
      Und ja, du hast absolut recht, Normal People ist definitiv das beliebtere Buch, da hat mir aber die Serie ausnahmsweise mehr zugesagt, hast du die gesehen? Kann das Bedürfnis, die beiden noch mal zu lesen, aber gut verstehen, darauf habe ich auch ziemlich Lust. 😀 Bin auch sehr gespannt auf Sally Rooneys neuen Roman – der Klappentext klingt ja ein bisschen wie ‚ne Mischung aus CwF und NP, aber … never change a running system? 😂

      Alles Liebe
      Isabella

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.